Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
sollte, bis ich den Sharamudoi begegnete und die Boote sah, die sie bauten. Am Großen Mutter Fluß, in der Nähe ihres Lagers, wachsen viele Bäume, große Bäume. Aus denen bauen sie Boote. Warte, bis du sie kennenlernst. Du wirst es nicht glauben, Ayla. Sie überqueren den Fluß nicht nur,
sondern befahren ihn, stromauf und stromab, mit diesen Booten."
Ayla spürte seine Begeisterung. Er freute sich wirklich darauf, ihnen wiederzubegegnen, jetzt, nachdem er seine Unent-schlossenheit überwunden hatte. Aber sie selbst dachte nicht an das Zusammentreffen mit Jondalars zweiter Familie. Das merkwürdige Licht am Himmel beunruhigte sie, obwohl sie nicht wußte, warum. Sie hätte gern gewußt, was es zu bedeuten hatte, aber es ängstigte sie nicht auf die Weise, wie Erschütterungen der Erde es taten. Erdbewegungen, insbesondere Erdbeben, erfüllten sie mit panischer Angst, nicht nur weil die Erschütterung von etwas, das eigentlich festgefügte Erde sein sollte, an sich schon beängstigend war, sondern weil sie stets drastische, einschneidende Veränderungen in ihrem Leben angekündigt hatte.
Ein Erdbeben hatte sie von ihren eigenen Leuten fortgerissen und ihr eine Kindheit beschert, die anders war als alles, was sie zuvor gekannt hatte, und ein Erdbeben hatte dazu geführt, daß sie aus dem Clan ausgestoßen wurde; zumindest hatte es Broud einen Vorwand dafür geliefert. Selbst der Vulkanausbruch weit weg im Südosten, der sie mit feiner, pulvriger Asche überschüttet hatte, schien eine Art Vorzeichen dafür gewesen zu sein, daß sie die Mamutoi verlassen würde, obwohl sie diesen Entschluß aus freien Stücken gefaßt hatte und er ihr nicht aufgezwungen worden war. Aber sie wußte nicht, was Zeichen vom Himmel zu bedeuten hatten, und ob dies über-haupt ein Zeichen war.
"Ich bin ganz sicher, daß Creb einen solchen Himmel für ein Zeichen für irgend etwas gehalten hätte", sagte Ayla. "Er war der mächtigste Mogur aller Clans, und etwas wie dies hätte ihn veranlaßt, darüber nachzudenken, bis er begriff, was es zu bedeuten hat. Ich glaube, auch Mamut würde es für ein Zeichen halten. Was meinst du, Jondalar? Ist es ein Zeichen für irgend etwas? Vielleicht für etwas - Ungutes?"
"Ich - ich weiß es nicht, Ayla." Es widerstrebte ihm, ihr von dem Glauben seiner Leute zu erzählen, daß das Nordlicht, wenn es rot war, oft, aber nicht immer, eine Warnung darstellte. Manchmal kündigte es nur irgend etwas Wichtiges an." Ich bin
keiner von denen, die der Mutter dienen. Es könnte auch ein Zeichen für etwas Gutes sein."
"Aber dieses Eisfeuer ist ein Zeichen für irgend etwas?"
"Im allgemeinen ja. Die meisten Leute sind jedenfalls davon überzeugt."
Ayla tat etwas Akeleiwurzel und Wermut in ihren Kamillentee, um ihm eine beruhigende Wirkung zu geben, aber der Bär in ihrem Lager und das merkwürdige Licht am Himmel hatten sie zu sehr aufgeregt. Trotz des Beruhigungsmittels hatte Ayla das Gefühl, daß der Schlaf sich ihr verweigerte. Sie probierte alle möglichen Einschlafpositionen aus, zuerst auf der Seite, dann auf dem Rücken und auf der anderen Seite, sogar auf dem Bauch, und sie war sicher, daß ihr unruhiges Herumwälzen Jondalar irritierte. Als sie endlich eingeschlafen war, wurde ihr Schlaf von lebhaften Träumen gestört.
Ein wütendes Brüllen zerriß die Stille, und die zuschauenden Leute sprangen entsetzt zurück. Der riesige Höhlenbär warf sich gegen das Tor des Käfigs und schmetterte es krachend zu Boden. Der wütende Bär war frei! Broud stand auf seinen Schultern; zwei andere Männer klammerten sich an sein Fell. Plötzlich war einer von ihnen im Griff des riesigen Tieres, aber seine Schmerzensschreie verstummten, als eine kraftvolle Umarmung ihm das Rückgrat brach. Die Mog-urs hoben den Leichnam auf und trugen ihn mit feierlicher Würde in eine Höhle. Creb in seinem Bärenfell hinkte voraus.
Ayla starrte auf eine weiße Flüssigkeit, die in einer gesprungenen Holzschüssel schwappte. Die Flüssigkeit wurde blutrot und verdickte sich, leuchtende weiße Bänder bewegten sich langsam flatternd durch sie hindurch. Sie verspürte Angst und Unruhe, sie hatte etwas Unerlaubtes getan. Eigentlich hätte in der Schüssel keine Flüssigkeit mehr sein dürfen. Sie hob sie an die Lippen und leerte sie.
Ihre Perspektive wandelte sich, das weiße Licht war in ihr, und es war, als würde sie größer und blickte von irgendwo hoch oben auf Sterne, die einen Pfad erhellten. Die Sterne verwandelten
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