Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
mehr zu fürchten", sagte Ayla; sie hielt ihre Speerschleuder mit einem Speer schußbereit in den Händen.
"Nur ein Rudel von Wölfen." Auch er war bereit, einen Speer abzuschleudern.
"Willst du ein Stück Bärenfleisch?" "Nein, wir haben genug Fleisch. Für mehr habe ich keinen Platz. Überlassen wir den Bären den Wölfen."
"An dem Fleisch liegt mir auch nichts, aber ich hätte gern die Tatzen und die großen Zähne."
"Warum holst du sie dir dann nicht? Sie gehören von rechts wegen dir. Du hast den Bären erlegt. Ich kann die Wölfe mit meiner Schleuder so lange fernhalten, bis du sie hast."
Jondalar glaubte nicht, daß er dergleichen von sich aus versucht hätte. Es erschien ihm überaus gefährlich, ein Rudel Wölfe von einer Beute zu vertreiben, die sie als ihr Eigentum bean-spruchten. Doch dann erinnerte er sich, wie sie am Vortag die Hyänen verscheucht hatte. "Also los", sagte er und griff nach seinem scharfen Messer.
Wolf war sehr aufgeregt, als Ayla begann, Steine zu schleudern und das Wolfsrudel zu verjagen, und er hielt neben dem Bärenkadaver Wache, während Jondalar schnell die Tatzen abschnitt. Die Zähne aus den Kiefern zu brechen, war etwas schwieriger, aber bald hatte der Mann seine Trophäen. Ayla mußte lächeln, als sie Wolf beobachtete. Sobald "sein Rudel" das wilde Rudel verscheucht hatte, hatte sich sein Verhalten geändert. Jetzt trug er den Kopf hoch und den Schwanz gerade ausgestreckt; er hatte die Haltung eines dominierenden Wolfes eingenommen, und sein Knurren klang jetzt wesentlich aggressiver. Der Leitwolf ließ ihn nicht aus den Augen und schien nahe daran, ihn herauszufordern.
Nachdem sie den Bärenkadaver wieder den Wölfen überlassen und den Rückweg angetreten hatten, warf der Leitwolf den Kopf hoch und heulte. Sein Heulen war laut und kraftvoll. Auch Wolf hob den Kopf und heulte, aber seinem Ruf fehlte die Resonanz. Er war jünger, noch nicht mal voll ausgewachsen, und sein Geheul bewies es.
„Komm, Wolf. Der dort ist nicht nur größer als du, sondern auch älter und erfahrener. Er hätte dich im Nu auf den Rücken geworfen", sagte Ayla, aber Wolf heulte abermals, nicht, um die anderen herauszufordern, sondern weil er unter seinesgleichen war.
Die anderen Wölfe des Rudels fielen ein, und dann hob auch Ayla, einfach weil ihr danach zumute war, den Kopf und heulte. Jondalar spürte, daß ihm ein Schauder über den Rücken lief. Wie es sich anhörte, war es eine perfekte Imitation der Wölfe. Sogar Wolf drehte ihr den Kopf zu, dann gab er ein weiteres, jetzt wesentlich selbstsicheres, langgezogenes Heulen von sich. Die anderen Wölfe antworteten, und bald war der ganze Wald von dem herrlichen, bis ins Mark gehenden Wolfsgesang erfüllt.
Als sie ihr Lager wieder erreicht hatten, säuberte Jondalar die Tatzen und die großen Eckzähne, während Ayla Winnie bepackte. Als sie fertig war, war er noch beim Packen. Sie lehnte sich an die Stute, kraulte sie und genoß den engen Kontakt mit ihr. Dann stellte sie fest, daß Wolf wieder einen verrotteten Knochen gefunden hatte. Diesmal blieb er am Rande der Lichtung, knurrte verspielt seine stinkende Beute an, behielt Ayla im Auge, machte aber keine Anstalten, sie ihr zu bringen.
"Wolf! Komm her, Wolf! "rief sie. Er ließ den Knochen fallen und kam. "Ich glaube, es wird Zeit, daß ich dir etwas Neues beibringe", sagte sie.
Sie wollte ihm beibringen, an Ort und Stelle zu bleiben, wenn sie es ihm befahl, und wenn sie selbst fortging. Das mußte er ihrer Meinung nach unbedingt lernen, obwohl sie fürchtete, daß es eine ganze Weile dauern würde, bis er es begriffen hatte. Nach dem Empfang, den ihnen die Leute bereitet hatten, denen sie bisher begegnet waren, und Wolfs Reaktion darauf befürchtete sie, daß er imstande wäre, Fremde als Angehörige eines anderen "Rudels" von Menschen anzugreifen.
Ayla hatte Talut einmal versprochen, daß sie Wolf selbst töten würde, wenn er irgend jemandem vom Löwen-Lager etwas zuleide täte, und sie hatte nach wie vor das Gefühl, dafür sor-gen zu müssen, daß das Raubtier, das sie in so engen Kontakt mit Menschen gebracht hatte, niemanden verletzte. Außerdem machte sie sich seinetwegen Sorgen. Seine Annäherung löste bei anderen Leuten eine Verteidigungsreaktion aus, und sich fürchtete, irgendein Jäger könnte versuchen, den fremden Wolf zu töten, der sein Lager zu bedrohen schien, bevor sie es verhindern konnte.
Sie beschloß, damit zu beginnen, daß sie ihn an einem Baum festband
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