Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
stark gehalten, denn er gab allen Mog-urs weniger zu trinken.
Nachdem sie den speziellen Frauentrank zu sich genommen und mit den Frauen getanzt hatte, ging sie zurück und fand die Schale, in der noch ein Rest der weißen, milchigen Flüssigkeit übrig war. Iza hatte ihr gesagt, der Trank dürfe nicht verschwendet werden, und da sich Ayla nicht anders zu helfen wusste, trank sie die Schale leer. Unwillkürlich folgte sie dem Licht von Lampen und Fackeln in eine gewundene Höhle zu dem besonderen Treffen der Mogurs. Die anderen wussten nicht, dass sie dort war, nur ihr Mog-ur, Creb. Sie hatte die Gedanken und Vorstellungen nie begriffen, die ihr in jener Nacht durch den Kopf gingen, aber sie kamen danach manchmal wieder. Dasselbe Gefühl hatte sie auch jetzt, nur nicht ganz so stark. Sie löste die Hände von der Wand, und ein Schauer der Vorahnung überlief sie.
Die beiden jungen Frauen traten schweigend den Rückweg an und blieben dann noch einen Moment stehen, um einen letzten Blick auf das erste Rentier und die dazugehörigen Zeichen zu werfen. Ayla fielen ein paar geschwungene Linien auf, die sie beim ersten Mal nicht gesehen hatte. Sie gingen weiter, vorbei an dem rutschigen Geröllhang, der Ayla schaudern ließ, und den schmalen Stellen, bis sie zur schwierigsten Passage gelangten. Diesmal ging Wolf vor. An der Stelle, an der sie auf Knien und einer Hand weiterkriechen mussten, da sie mit der anderen die Fackel hielt, fiel Ayla auf, dass ihre Fackel heruntergebrannt war, und sie hoffte, sie würde nicht verlöschen, bis sie hindurch waren.
Als sie auf die andere Seite kamen, sah Ayla das Licht, das durch den Eingang hereinfiel, und ihre Brüste spannten. Sie hätte nicht gedacht, dass sie so lange fortbleiben würden, doch sie wusste, dass sie Jonayla bald anlegen musste. Die beiden jungen Frauen eilten zu den Steinen, an denen sie ihre Tragegestelle abgesetzt hatten, und griffen nach ihren Wasserbeuteln. Sie hatten Durst. Ayla kramte tief unten in ihrem Tragegestell nach einer kleinen Schale, die sie für Wolf mitgenommen hatte. Sie goss Wasser für das Tier hinein und nahm dann selbst einen Schluck aus dem Beutel. Kurz darauf hievten sie ihre Tragegestelle auf den Rücken und verließen die Grotte, um nach Sommerlager von Drei Felsen, der Westgrotte der Neunundzwanzigsten Höhle der Zelandonii, zurückzukehren.
D a ist Abglanz-Felsen«, sagte Jondalar. »Hattest du vor, bei der Südgrotte der Neunundzwanzigsten Höhle haltzumachen, Zelandoni?«
Die kleine Gruppe aus Menschen, Pferden und dem Wolf hielt neben dem Hauptfluss an und schaute an der beeindruckenden Kalksteinwand empor, die in fünf, an manchen Stellen sogar in sechs Ebenen unterteilt war. Wie bei den meisten Felswänden in der Gegend gab es auch hier natürliche schwarze senkrechte Streifen aus Mangan, die dem Gestein das markante Aussehen verliehen. Ayla und ihre Begleiter fühlten sich von Menschen beobachtet, die offensichtlich nicht unbedingt gesehen werden wollten. Ihr fiel ein, dass sich einige Leute dieser Höhle, darunter auch der Anführer, vor den Pferden und Wolf fürchteten, und sie hoffte fast, hier nicht Rast machen zu müssen.
»Bestimmt sind auch dort ein paar Menschen dem Sommertreffen ferngeblieben«, erwiderte die Frau. »Aber wir haben ihnen im vergangenen Jahr einen Besuch abgestattet, und wir hatten keine Gelegenheit, die Fünfte Höhle zu besuchen. Ich denke, wir sollten weiterziehen.«
Sie setzten ihren Weg flussaufwärts fort und folgten demselben Pfad wie im Jahr zuvor bis an die Stelle, an der sich der Fluss verbreiterte und flacher wurde und daher leichter zu überqueren war. Hätten sie geplant, dem Hauptfluss zu folgen und vor ihrem Aufbruch Vorkehrungen getroffen, dann hätten sie mit einem Floß reisen können, doch Flöße waren sperrig und hätten flussaufwärts gestakt werden müssen. Die andere Möglichkeit war, dem Pfad am Hauptfluss entlang zu folgen, wobei sie direkt nach Norden gehen mussten, dann nach Osten, da der Wasserlauf einen weiten Bogen machte, dann nach Süden und Osten, wieder an einer großen Biegung entlang, bis es erneut nach Norden ging, eine Strecke von fünfzehn Kilometern. Nach den großen Biegungen führte der Pfad am Hauptfluss geradliniger weiter stromaufwärts Richtung Nordosten.
Am nördlichen Rand der ersten Schleife befanden sich ein paar kleine Wohnplätze, doch Zelandoni hatte vor, eine größere Siedlung am südlichsten Ende der zweiten Schleife zu besuchen, die Fünfte
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