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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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achtgeben mussten, doch schließlich, nachdem sie etwa fünfzehn Meter in dem langen, schmalen Gang zurückgelegt hatten, blieb Shevola erneut stehen. Auf der linken Seite gelangten sie in einen engen Raum, an dessen rechter Wand unterhalb der Decke ein Felsvorsprung war. Darauf waren mehrere Figuren in Schrägstellung eingeritzt. Das war die wichtigste Gestaltung der Höhle, bestehend aus zahlreichen eingeritzten Tieren auf einer begrenzten Fläche. Auch hier war der Ton an der Wand in die Darstellung mit einbezogen.
Das erste Bild zur Linken war teilweise in den Ton eingekerbt, die übrigen waren in den Stein geritzt, vermutlich mit einem Feuersteinmeißel. Ayla bemerkte eine feine, durchsichtige Kalzitschicht auf dem Fries, ein Hinweis darauf, dass er schon alt war. Der Vorsprung war zum Teil mit schwarzem Braunstein eingefärbt. Die Oberfläche war äußerst brüchig. Ein kleiner Bereich des Kalksteins war abgeblättert, ein anderer sah aus, als würde er sich bald vom restlichen Felsen ablösen.
Beherrscht wurde der Fries von einem prächtigen Rentier mit erhobenem Kopf und nach hinten gestrecktem Geweih. Auch Einzelheiten waren festgehalten, wie ein Auge, die Maulspalte und die Nüstern. Die Flanke war durch neun schalenförmige Vertiefungen parallel zur Rückenlinie gekennzeichnet. Ganz rechts auf dem Wandbild befand sich ein Löwe, und dazwischen gab es mehrere Tiere, darunter auch Pferde und eine Bergziege. Unter Verwendung der Linie für die Kinn- und Halspartie des Rentiers war in der Mitte ein Pferdekopf eingefügt. Im unteren Teil des Wandbildes war ein weiteres Pferd eingeritzt. Ayla benutzte die Zählwörter und kam auf insgesamt neun vollständig oder teilweise dargestellte Tiere.
»Weiter müssen wir nicht«, sagte Shevola. »Wenn wir geradeaus gehen, landen wir vor einer Wand. Links gibt es noch einen sehr engen Gang, doch wenn man den hinter sich hat, kommt man nur in einen weiteren kleinen Raum, in dem es auch nicht weitergeht. Wir sollten umkehren.«
»Haltet ihr jemals Zeremonien oder Riten ab, wenn ihr hierherkommt?«, fragte Ayla, drehte sich um und streichelte Wolf, der geduldig wartete.
»Das Ritual bestand in der Herstellung dieser Bilder«, antwortete die junge Gehilfin. »Die Person, die einmal oder öfter herkam, hat eine rituelle Reise unternommen. Ich weiß nicht, vielleicht war es ein oder eine Zelandoni, ein Gehilfe oder eine Gehilfin auf dem Weg, Zelandoni zu werden, aber ich kann mir vorstellen, dass es jemand war, der das Bedürfnis hatte, nach der Welt der Geister zu greifen, nach der Großen Erdmutter. Es gibt ein paar heilige Höhlen, die Menschen aufsuchen sollen, um dort Riten abzuhalten, aber ich glaube, das hier war eine persönliche Reise. In Gedanken versuche ich, diese Person auf meine eigene Weise zu würdigen, wenn ich hierherkomme.«
»Ich glaube, du wirst eine sehr gute Zelandoni«, sagte Ayla. »Du bist schon so weise. Ich hatte das Bedürfnis, diesem Ort und dem Menschen, der dieses Werk erschaffen hat, Anerkennung zu zollen. Ich glaube, ich werde deinem Rat folgen und über die Zeichnungen und denjenigen, der sie gemacht hat, nachdenken und Doni einen persönlichen Gedanken widmen, aber ich würde gern mehr tun, vielleicht auch nach der Welt der Geister greifen. Hast du die Wände jemals berührt?«
»Nein, aber mach nur, wenn du willst.«
»Würdest du meine Fackel halten?«, fragte Ayla.
Shevola nahm die Fackel und hielt beide hoch, um den kleinen, beengten Raum stärker zu erhellen. Ayla streckte die Arme aus und legte die Handflächen an die Wand, nicht auf Ritzzeichnungen oder Bilder, aber in deren Nähe. Unter einer Hand spürte sie den feuchten Ton, unter der anderen die raue Oberfläche des Kalksteins. Sie schloss die Augen. Zuerst spürte sie in der Hand auf dem Ton ein Prickeln, dann war ihr, als strömte ihr aus der Felswand eine gewisse Eindringlichkeit entgegen. Sie wusste nicht genau, ob es wirklich war, oder ob sie es sich nur einbildete.
Für einen kurzen Augenblick eilten ihre Gedanken zurück in die Zeit, als sie beim Clan lebte und zum Clan-Miething reiste. Sie hatte den besonderen Trank für die Mog-urs machen sollen. Iza hatte ihr erklärt, wie es ging. Sie musste die harten, trockenen Wurzeln kauen und den Brei ins Wasser in einer besonderen Schale spucken, dann alles mit dem Finger umrühren. Sie durfte nichts schlucken, aber es passierte ihr doch, und sie bekam die Wirkung zu spüren. Als Creb den Trank probierte, hatte er ihn wohl für zu

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