Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
jungen Männchen interessiert. Es setzte sich hin und gab nicht nach.
Langsam ging Ayla an der bemalten Wand entlang, bis sie den Eingang zu dem langen Stollen erreichte, der in den letzten Raum mit Bildern führte, und sah den gewaltigen Riesenhirsch hoch oben zu ihrer Rechten. Hier waren auch die Feuerstellen zur Herstellung von Holzkohle, die sich an der Wand entlangreihten. Der Gang begann nach unten abzufallen. Als sie die letzte Stufe hinabsprang und in den hintersten Raum kam, ging sie noch langsamer. Sie bewunderte die Löwen, vielleicht weil sie ihr Totem waren, aber auch, weil sie so lebendig wirkten. Schließlich erreichte sie die Felssäule, die wie ein männliches Glied aussah, und betrachtete sie eingehend. Darauf waren menschliche Beine mit einer Vulva gezeichnet, worauf der Körper teils eines Wisents, teils eines Löwens saß. Sie hatte das Gefühl, dass auch hier jemand eine Geschichte erzählt hatte. Dann drehte sie sich um und trat den Rückweg an. Am Anfang der Kammer blieb sie stehen und schaute zurück.
Sie erinnerte sich daran, wie die Erste die Höhle besungen hatte. Sie selbst konnte nicht singen, lächelte aber, als ihr einfiel, wozu sie in der Lage war. Ähnlich wie Löwen es häufig machten, begann sie mit dem knurrenden Ton, der sich zum Gebrüll aufbaute. Als sie es schließlich herausließ, war es das beste Gebrüll, das sie jemals zustande gebracht hatte und das sogar Wolf ein wenig zusammenfahren ließ.
Die Reisenden hatten geplant, früh aufzubrechen, doch bei Amelana setzten im Morgengrauen die Wehen ein, daher mussten die Zelandonia, die zu Besuch gekommen waren, ihre Abreise verschieben. Gegen Abend hatte die junge Frau einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, und ihre Mutter bereitete ein Festmahl zu. Erst am folgenden Morgen traten Ayla und die anderen ihre Rückreise an.
Die Zusammensetzung der Gruppe hatte sich erneut verändert. Da Kimeran, Beladora und die beiden Kinder fort waren und Amelana nicht mehr mit ihnen reiste, waren nur noch elf übrig, und sie mussten sich erst einmal umgewöhnen. Jonayla hatte nun nur noch den ein Jahr jüngeren Jonlevan zum Spielen und vermisste ihre Freunde. Jondecam fehlte sein Onkel Kimeran, der eher wie ein Bruder für ihn war, und ihm war nicht klar gewesen, wie gut sie sich verstanden, wenn sie zusammenarbeiteten. Der Gedanke, dass er ihn vielleicht nie wiedersehen würde, machte ihn traurig. Die einzigen Frauen waren Ayla, Levela und die Erste, und ihnen fehlten Beladora und die Launen der jungen Amelana. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Reiseroutine wiedergefunden hatten.
Sie folgten dem Fluss stromabwärts, und als er in den Großen Fluss mündete, setzten sie ihren Weg an dessen Ufer in Richtung Süden fort. Sie konnten die große Fläche des Südlichen Meeres schon einen ganzen Tag vor ihrer Ankunft sehen, aber der Ausblick hatte mehr als nur eine weite Wasserfläche zu bieten. Sie sahen Rentierherden, Riesenhirsche, eine Gruppe weiblicher Wollhaarmammuts mit ihren Jungen und eine Ansammlung von Wollnashörnern. Außerdem begannen sich verschiedene Huftiere wie Auerochsen und Wisente zu sammeln, da es auf den Herbst zuging, in dem sich Tausende zu ihren Rangkämpfen und zur Paarung zusammenfanden. Pferde zogen zu ihren Winterweiden. Eine kühle Brise wehte vom Meer her, das Südliche Meer war kalt, und als sie über die weite Wasserfläche blickte, wurde Ayla klar, dass bald der Wechsel der Jahreszeit bevorstand.
Sie fanden die Händler, von denen Conardi gesprochen hatte, sowie Conardi selbst. Er übernahm die Vorstellungen, und es zeigte sich, dass Aylas Körbe sehr begehrt waren, vor allem bei den Händlern, die auf gut gefertigte Behälter angewiesen waren. Ayla verbrachte den ersten Abend auf ihrem Lagerplatz mit der Herstellung weiterer Körbe. Jondalars Feuersteinspitzen und Werkzeuge erfreuten sich ebenfalls großer Beliebtheit. Willamars Fähigkeit und Erfahrung als Händler kam zur Geltung. Er stellte sie alle, einschließlich Conardi, zu einer Händlergemeinschaft zusammen.
So konnte er eine Kombination verschiedener Gegenstände anbieten, wie zum Beispiel eine Portion Dörrfleisch zusammen mit einem Korb für den Transport, und unterbreitete dieses Angebot häufig mehreren Personen gleichzeitig. Er erwarb viele Muscheln zur Herstellung von Perlen und war dankbar für einige von Aylas Körben, in denen er sie aufbewahren konnte. Er bekam auch Salz für Ayla und eine Kette für Marthona, die einer der
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