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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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im Sitzen eingeschlafen, schreckte aber hoch, sobald ihr Kopf nach vorn kippte.
    Sie schnippte etwas Wasser auf die Kochsteine. Als es zischend verdunstete, beförderte sie mit den verkohlten Enden der Bugholzzange einen Kochstein vom Feuer in die Schüssel mit Wasser. Es brodelte, eine Dampfwolke stieg auf. Sie legte einen zweiten Stein hinein, und nachdem sich das Wasser beruhigt hatte, prüfte sie die Temperatur mit dem kleinen Finger. Es war heiß, aber noch nicht heiß genug. Sie gab einen dritten Stein vom Feuer dazu, wartete, bis das Wasser fast kochte, schöpfte einen großen Becher davon ab und gab ein paar getrocknete Blätter aus den zugedeckten Körben auf einem Regal bei der Feuerstelle hinein. Dann stellte sie den Becher aus fest geflochtenem Material zur Seite, damit der Tee ziehen konnte.
    Schließlich sah sie in einem Beutel nach, der von einem in einen Stützpfosten getriebenen Stift hing. Er enthielt zwei Geweihschaufeln von einem Riesenhirsch und einen Stichel aus Feuerstein, mit dem Ayla Zeichen auf die Schaufeln ritzen konnte. Sie prüfte das Werkzeug, ob die meißelförmige Spitze noch scharf genug war; beim Gebrauch splitterten bisweilen Bruchstücke ab. Die andere Seite des Stichels war in ein Stück Rehgehörn eingelassen, das als Griff diente. Es war in kochendem Wasser weich gemacht worden und beim Trocknen wieder ausgehärtet. Auf einer der flachen Geweihschaufeln hielt Ayla jeweils den Untergang von Sonne und Mond fest, anhand der Kerben auf der anderen zählte sie die Tage zwischen den Vollmonden, wobei Vollmond, fehlender Mond und zu- und abnehmender Halbmond eigens gekennzeichnet waren. Ayla band den Beutel an ihren Hüftriemen, schöpfte etwas von der warmen Suppe in eine Holzschüssel, trank sie leer und nahm sich kaum Zeit, die Fleischbrocken zu zerkauen.
    Von ihrem Schlafplatz holte sie ihren mit Pelz gefütterten Kapuzenumhang und legte ihn um die Schultern - selbst im Sommer wurde es nachts recht kühl -, nahm den Becher heißen Tee und verließ den Wohnplatz. Ihr Weg führte sie wieder zum ansteigenden Pfad hinter dem Abri, direkt hinter dem Rand des Überhangs, dann machte sie sich an den Aufstieg. Unterwegs fragte sie sich, wo Wolf wohl blieb. Während ihrer langen Nachtwachen war er oft ihre einzige Gesellschaft, lag zu ihren Füßen, während sie in ihre warmen Kleider gehüllt oben auf der Felswand saß.
    An der Weggabelung trank sie rasch einen Schluck Tee, stellte den Becher ab und eilte zu den Abortgruben. Obwohl ihre Position jedes Jahr ein wenig verändert wurde, befanden sie sich stets mehr oder minder im selben Bereich. Schnell erleichterte sie sich, lief zum Pfad zurück, bückte sich nach dem Teebecher und nahm den anderen Abzweig, den schmalen, steilen Pfad, der zur höchsten Stelle der Felswand führte.
    In der Nähe des merkwürdigen Fallenden Felsens, der aus den Tiefen der Kalksteinwand emporzuwachsen schien, befand sich eine von geschwärzten Steinen umgebene, mit Holzkohle gefüllte Feuerstelle, dazu ein paar glatte Flusssteine, die als Kochsteine dienten. Vor einer natürlichen Felssäule war eine Vertiefung in den weichen Kalkstein gegraben worden. An der Säule lehnte ein großer, aus getrocknetem Gras geflochtener Wandschirm, über dessen überlappende Schichten das Regenwasser ablief. Darunter standen einige Schalen, eine Kochschale sowie ein Lederbeutel, in dem unter anderem auch ein Feuersteinmesser, etwas Tee und ein paar getrocknete Fleischstücke aufbewahrt wurden. Daneben lag ein zusammengerolltes Fell, das ein rohledernes Päckchen enthielt mit allem, was man brauchte, um Feuer zu machen, außerdem eine einfache Steinlampe, einige Dochte und mehrere Fackeln.
    Ayla legte das Päckchen beiseite, ein Feuer würde sie erst entzünden, wenn der Mond aufgegangen war. Sie breitete das Fell aus und ließ sich auf ihrem üblichen Platz nieder, lehnte sich an die Felssäule, so dass sie dem Hauptfluss den Rücken zukehrte und den westlichen Horizont im Blickfeld hatte. Aus ihrem Beutel holte sie die Geweihschaufeln und den Stichel und studierte zunächst die Kennzeichnungen, die sie bislang zum Sonnenuntergang gemacht hatte, dann betrachtete sie wieder den oberen Rand der Landschaft im Westen.
    Vergangene Nacht, sagte sie sich, war die Sonne direkt links von der kleinen Erhebung untergegangen. Ayla kniff die Augen zusammen, um nicht von den langen, gleißenden Sonnenstrahlen geblendet zu werden. Die Lichtscheibe sank hinter einen Dunstschleier knapp über

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