Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
oder in den Großen Wassern des Westens ist oft blau, und das Wasser in Gletschern ist von tiefem, strahlendem Blau.«
Wie Jondalars Augen, dachte Ayla. Als sie den Gletscher überquerten, fiel ihr ein, hatte sie zum ersten Mal ein Blau gesehen, das genau der Farbe seiner Augen entsprach. Sie fragte sich, ob der Zelandoni der Sechsundzwanzigsten Höhle wohl jemals einen Gletscher gesehen hatte.
»Manche Früchte sind blau«, fuhr er fort, »vor allem Beeren und manche Blumen, obwohl blaue Blumen seltener sind. Viele Menschen haben blaue Augen, gelegentlich vermischt mit Grau, das ebenfalls eine Schattierung des Klaren ist. Schnee ist weiß, genau wie die Wolken am Himmel, die auch grau sein können, wenn sie mit dem Dunkel vermischt sind, um Regen zu bringen, aber ihre wahre Farbe ist das Klare. Eis ist klar und durchsichtig, auch wenn es weiß zu sein scheint, aber man erkennt die wahre Farbe von Schnee und Eis, sobald es schmilzt, und die der Wolken, wenn es regnet. Es gibt viele weiße Blumen, und an manchen Orten findet man weiße Erde. Nicht weit von der Neunten Höhle gibt es eine Stelle mit weißer Erde, Kaolin«, sagte er und sah dabei Ayla direkt an. »Aber auch das ist nur eine Schattierung des Klaren.«
Die Zelandoni, Die Die Erste Ist, nahm die Unterweisung wieder auf. »Die fünfte heilige Farbe ist das Dunkel, manchmal auch Schwarz genannt. Dunkel ist die Farbe der Nacht, die Farbe von Kohle, wenn das Feuer das Leben aus dem Holz gebrannt hat. Es ist die Farbe, die über die Farbe des Lebens obsiegt, wenn das Alter kommt. Manche sagen, Schwarz sei in Wahrheit die dunkelste Schattierung von Altem Rot, aber dem ist nicht so. Das Dunkel ist die Abwesenheit des Lichts, die Abwesenheit des Lebens. Es ist die Farbe des Todes. Ihr ist nicht einmal ein vergängliches Leben beschieden - schwarze Blumen gibt es nicht. Tiefe Höhlen zeigen diese Farbe in ihrer reinsten Form.«
Nachdem sie geendet hatte, beugte sie sich vor und schaute in die Runde. »Gibt es irgendwelche Fragen?« Unsicheres Schweigen machte sich breit, und die Zuhörer veränderten ihre Sitzhaltung oder scharrten mit den Füßen, aber niemand meldete sich zu Wort. Wahrscheinlich gab es Fragen, doch keiner wollte der Erste sein oder sich die Blöße geben, etwas nicht zu verstehen, wenn alle anderen es begriffen hatten oder zumindest so taten. Das machte nichts, Fragen konnten später kommen und würden es auch. Da so viele Gehilfen hier versammelt waren und ihr aufmerksam lauschten, überlegte die Erste, ob sie mit den Unterweisungen fortfahren sollte. Zu viel auf einmal war schwer zu behalten, und die Gedanken konnten abschweifen. »Würdet ihr gerne mehr hören?«
Ayla blickte zu ihrer Tochter und sah, dass sie noch schlief. »Ich schon«, sagte sie leise. Aus der Gruppe war ein Raunen zu hören, das größtenteils zustimmend klang.
»Möchte jemand darüber sprechen, woran wir sonst noch erkennen, dass fünf ein mächtiges Symbol ist?«, fragte die Erste.
»Am Himmel kann man fünf wandernde Sterne sehen«, sagte der alte Zelandoni der Siebten Höhle.
»Das stimmt.« Die Erste lächelte dem hochgewachsenen älteren Mann zu und erklärte dann den anderen: »Und der Zelandoni der Siebten Höhle ist derjenige, der sie entdeckt und uns gezeigt hat. Man braucht Zeit, sie zu sehen, und den meisten von euch wird das erst in eurem Jahr der Nächte möglich sein.«
»Was ist das Jahr der Nächte?«, fragte Ayla. Einige der anderen waren froh, dass sie gefragt hatte.
»Das ist das Jahr, in dem ihr nachts wach bleiben und tagsüber schlafen werdet«, antwortete die Erste. »Es gehört zu den Prüfungen, die euch während der Ausbildung auferlegt werden, aber es ist mehr als das. Bestimmte Dinge lassen sich nur bei Nacht erkennen, zum Beispiel der Aufgang und Untergang der Sonne, vor allem während des Mittsommers und Mittwinters, wenn die Sonne den höchsten oder tiefsten Punkt ihrer Bahn erreicht, wie auch der Aufgang und Untergang des Mondes. Der Zelandoni der Fünften Höhle weiß am meisten darüber. Er hat ein halbes Jahr lang Aufzeichnungen darüber gemacht.«
Ayla wollte schon fragen, worin die anderen Prüfungen während ihrer Ausbildung bestanden, hielt sich aber zurück. Wahrscheinlich würde sie es früh genug erfahren.
»Woran erkennen wir sonst noch die Macht der Fünf?«, fragte die Erste.
»Die fünf heiligen Elemente«, meldete sich der Zelandoni der Sechsundzwanzigsten zu Wort.
»Sehr gut!«, erwiderte die korpulente Frau und setzte sich
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