Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
spüren. Kälte ruft Veränderungen hervor, macht alles schwerer und langsamer. Kälte kann die Erde hart, kann Wasser fest machen, es in Eis verwandeln und zum Stillstand bringen, und sie kann Regen in Schnee oder Eis verwandeln. Die Farbe der Kälte ist das Klare oder Weiß. Manche sagen, das Dunkel löse die Kälte aus. Wenn das Dunkel der Nacht anbricht, wird es kälter. Kälte kann gefährlich sein. Kälte kann dem Dunkel helfen, Leben zu entziehen, doch das Dunkel bleibt von der Kälte unberührt, daher ist etwas, das nur teilweise dunkel ist, von Kälte weniger betroffen. Kälte kann auch hilfreich sein. Wenn Nahrung in eine kalte Grube in der Erde oder in eisbedecktes Wasser gelegt wird, kann Kälte sie davor schützen, zu verderben. Wenn die Kälte aufhört, kann sich etwas, das klar oder durchsichtig ist, wieder in seinen ursprünglichen Zustand verwandeln, wie Eis in Wasser. Dinge oder Elemente in Altem Rot können sich meist von der Kälte erholen, so zum Beispiel die Erde und die Rinde der Bäume, aber Dingen in Grün, Gelb oder echtem Rot gelingt das selten.«
Die Erste überlegte, ob sie um Fragen bitten sollte, beschloss jedoch, rasch zum Ende zu kommen. »Das fünfte Element ist Hitze. Hitze lässt sich ebenfalls nicht aufheben oder halten, aber auch sie kann man spüren. Man merkt, wann man etwas Heißes berührt. Auch Hitze ruft Veränderungen hervor, doch während sie bei Kälte langsam vor sich gehen, geschehen sie bei Hitze schnell. Kälte entzieht Leben, Hitze und Wärme stellen es wieder her, bringen es zurück. Feuer und Sonne erzeugen Hitze. Die Hitze der Sonne weicht die kalte, harte Erde auf und verwandelt Schnee in Regen, der Grünes sprießen lässt, sie verwandelt Eis in Wasser und setzt es wieder in Bewegung. Die Hitze des Feuers kann Nahrung garen, Fleisch und Gemüse gleichermaßen, und eine Behausung erwärmen, aber Hitze kann gefährlich sein. Auch sie kann dem Dunkel helfen. Die Grundfarbe der Hitze ist Gelb, oft vermischt mit Rot, aber manchmal auch mit Dunkel. Hitze kann dem wahren Rot des Lebens helfen, doch zu viel Hitze kann das Dunkel fördern, das Leben zerstört.«
Das Zeitgefühl der Ersten war genau richtig. Bei ihrem letzten Wort wachte Jonayla laut heulend auf. Ayla nahm sie rasch hoch, wiegte sie und ließ sie auf und ab hüpfen, um sie zu beruhigen, wusste aber, dass sie die Kleine stillen und neu wickeln musste.
»Ich möchte, dass ihr alle über das nachdenkt, was ihr heute gelernt habt, und euch Fragen merkt, über die wir reden können, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Alle, die möchten, können jetzt gehen«, fasste Die, Die Die Erste Ist, zusammen.
»Ich hoffe, wir können uns bald wieder treffen«, sagte Ayla beim Aufstehen. »Das war sehr interessant. Ich bin begierig darauf, mehr zu erfahren.«
»Das freut mich, Gehilfin der Zelandoni der Neunten Höhle«, erwiderte die Erste.
»Ich möchte dich etwas fragen, Proleva.« Ayla war unbehaglich zumute.
»Nur zu, Ayla.« Alle, die sich diesen Wohnplatz teilten, waren zur Morgenmahlzeit versammelt und wandten sich nun neugierig Ayla zu.
»Da gibt es eine heilige Grotte, nicht weit von der Wohnstätte der Sechsundzwanzigten Höhle entfernt, und deren Zelandoni hat mich gebeten, sie mir mit ihm zusammen anzusehen, weil ich die Gehilfin der Ersten bin. Die Grotte ist sehr klein, und die Erste möchte, dass ich sie mir als ihre Vertreterin anschaue.«
Jondalar war nicht der Einzige, der aufhorchte. Er blickte sich um und bemerkte, dass alle Ayla beobachteten. Willamar erschauderte. Der Handelsmeister legte gerne weite Entfernungen zurück, hatte aber für alles, was klein und beengt war, wenig übrig. Er konnte sich überwinden, eine Höhle zu betreten, wenn es sein musste und wenn sie nicht zu klein war, lieber aber hielt er sich im Freien auf.
»Ich brauche jemanden, der auf Jonayla aufpasst und sie stillt«, erklärte Ayla. »Ich sorge dafür, dass sie trinkt, bevor ich gehe, aber ich weiß nicht, wie lange ich fortbleiben werde. Ich würde sie mitnehmen, doch mir wurde gesagt, ich müsse auf dem Bauch kriechen, und ich befürchte, dass ich das nicht mit Jonayla machen kann. Ich glaube, Zelandoni ist erfreut, dass man mich gefragt hat.«
Proleva dachte kurz nach. Bei Sommertreffen hatte sie immer viel zu tun, die Neunte war eine große und wichtige Höhle, und Proleva hatte sich für diesen Tag viel vorgenommen. Sie wusste nicht, ob sie Zeit hatte, auf einen anderen Säugling als ihren eigenen aufzupassen,
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