Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
worden, dem heiligen Mann, der Ayla dann letztlich als eine Tochter des Mammut-Herdfeuers adoptiert hatte. Ursprünglich waren sie angefertigt worden, als er dachte, Ayla würde sich mit Ranec verbinden, dem Sohn der Gefährtin von Nezzies Bruder Wymez. Wymez war in seiner Jugend bis in den fernen Süden gereist, hatte sich mit einer fremdartigen, dunkelhäutigen Frau verbunden und war zehn Jahre später zurückgekehrt; seine Frau war traurigerweise unterwegs gestorben.
Er hatte unglaubliche Geschichten mitgebracht, neue Techniken zum Feuersteinschlagen und ein erstaunliches Kind mit brauner Haut und dichten schwarzen Locken, das Nezzie als ihr eigenes großgezogen hatte. Unter seinen hellhäutigen, blonden Verwandten war Ranec eine Besonderheit, die stets für Aufsehen sorgte. Er wuchs zu einem klugen, geistreichen Mann heran mit lachenden braunen Augen, die Frauen unwiderstehlich fanden, und einem bemerkenswerten Geschick für das Schnitzen.
Wie die anderen war Ayla von Ranecs ungewöhnlicher Hautfarbe und seinem Charme fasziniert gewesen, aber er hatte die schöne Fremde ebenfalls bezaubernd gefunden und auch keinen Hehl daraus gemacht, was in Jondalar eine nie gekannte Eifersucht entfacht hatte. Der hochgewachsene blonde Mann mit den fesselnden blauen Augen war immer derjenige gewesen, dem Frauen nicht widerstehen konnten, und er wusste nicht, wie er mit einem Gefühl fertigwerden sollte, das er noch nie erlebt hatte. Ayla hatte sein launisches Verhalten nicht verstanden und schließlich versprochen, sich mit Ranec zu verbinden, in der Überzeugung, Jondalar liebe sie nicht mehr, und sie mochte den dunkelhaarigen Schnitzer und seine lachenden Augen wirklich. Das Löwenlager hatte Ayla und Jondalar in dem Winter, den sie bei den Mamutoi verbrachten, liebgewonnen, und allen war die schwierige Gefühlslage der drei jungen Leute mehr oder weniger bewusst.
Vor allem Nezzie entwickelte eine starke Bindung zu Ayla, weil sie sich so verständnisvoll um das ungewöhnliche Kind kümmerte, das die Frau adoptiert hatte. Der Kleine war schwach, konnte nicht sprechen und war zur Hälfte Clan. Ayla behandelte sein schwaches Herz und machte ihm das Leben erträglicher. Sie brachte Rydag auch die Zeichensprache des Clans bei, und angesichts der Leichtigkeit und Geschwindigkeit, mit der er sie lernte, wurde Ayla klar, dass er tatsächlich über das Clan-Gedächtnis verfügte. Dem ganzen Löwenlager brachte sie eine einfachere Form der stummen Sprache bei, damit er sich mit ihnen verständigen konnte, was ihn sehr glücklich machte und Nezzie hoch erfreute. Ayla schloss ihn rasch ins Herz. Zum Teil, weil er sie an ihren eigenen Sohn erinnerte, den sie hatte zurücklassen müssen, aber mehr noch um seiner selbst willen, obwohl sie ihn letztlich nicht hatte retten können.
Als Ayla beschloss, mit Jondalar heimzukehren, statt zu bleiben und sich mit Ranec zu verbinden, hatte Nezzie der jungen Frau die Kleidungsstücke geschenkt, die sie für sie genäht hatte. Sie wusste zwar, wie sehr es den Neffen verletzte, den sie großgezogen hatte, trotzdem hatte sie Ayla gebeten, das Gewand zu tragen, wenn sie sich mit Jondalar verband. Ayla war nicht ganz klar gewesen, wie viel Reichtum und Status das Hochzeitsgewand vermittelte, Nezzie allerdings schon, ebenso Mamut, dem scharfsinnigen alten spirituellen Anführer. Aus Jondalars Haltung und Auftreten hatten sie geschlossen, dass er von Menschen mit hohem Rang abstammte und Ayla demnach etwas brauchen würde, das ihr bei ihnen zu mehr Ansehen verhalf.
Die Qualität der handwerklichen Arbeit wusste Ayla aber durchaus zu schätzen. Tunika und Beinlinge waren aus dem Leder von Hirsch und Steppenantilope gefertigt und von erdiger, goldgelber Farbe, fast wie ihr Haar. Die Farbe wurde teils durch die Art des Holzes hervorgerufen, über dem das Leder geräuchert wurde, um es geschmeidig zu halten, teils durch eine Mischung aus gelbem und rotem Ocker, die aufgetragen wurde. Die Häute abzukratzen, um sie weich und nachgiebig zu machen, hatte viel Mühe gekostet, doch statt ihre samtige, wildlederartige Oberfläche zu belassen, hatte man sie mit Ocker, vermischt mit Fett, eingerieben und mit einem Glättungswerkzeug aus Elfenbein bearbeitet, das dem weichen Leder einen glänzenden Überzug verlieh und es nahezu wasserdicht machte.
Die lange, mit feinen Stichen zusammengenähte Tunika fiel am Rücken in einem nach unten weisenden Dreieck herab. Wenn man die beiden offenen Vorderteile, die sich
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