Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Ayla hatte Jondalar erzählt, Brukevals Zorn erinnere sie zu sehr an Broud, den Sohn des Anführers von ihrem Clan. Broud hatte sie von Anfang an gehasst und ihr mehr Schmerz und Kummer bereitet, als sie sich je hätte vorstellen können. Sie hatte gelernt, Broud ebenso zu hassen und sich aus gutem Grund vor ihm zu fürchten. Seinetwegen war sie schließlich gezwungen, den Clan, und damit auch ihren Sohn, zu verlassen.
Brukeval erinnerte sich an das warme Glühen, das er empfunden hatte, als er sie kennenlernte, und betrachtete Ayla aus der Ferne, wann immer er konnte. Je länger er sie beobachtete, desto stärker wurde seine Liebe. Wenn er sie mit Jondalar zusammen sah, versetzte sich Brukeval in Gedanken an die Stelle seines Vetters. Er folgte ihnen sogar, wenn sie einen abgelegenen Ort aufsuchten, um die Wonnen zu teilen, und als Jondalar die Milch aus ihren Brüsten probierte, verlangte es Brukeval danach, dasselbe zu tun.
Aber er war ihr gegenüber auch auf der Hut, fürchtete, sie könnte ihn wieder Flachschädel nennen oder ihren Ausdruck dafür verwenden - Clan. Allein der Name »Flachschädel« hatte ihm so viel Schmerz bereitet, als er aufwuchs, dass er den Klang nicht ertragen konnte. Manchmal sprach Ayla liebevoll von ihnen, mit Zuneigung und sogar Zärtlichkeit, und er hasste diese Scheusale. Brukeval hegte widersprüchliche Gefühle für Ayla. Liebe und Hass zugleich.
Der zeremonielle Teil der Hochzeitsfeier zog sich lang hin, denn dabei wurden, was nur selten geschah, sämtliche Namen und Zugehörigkeiten jedes einzelnen versprochenen Gefährten vorgetragen. Die Verbindungen wurden durch laute Zustimmung von den Mitgliedern ihrer Höhle anerkannt, und danach von allen anwesenden Zelandonii. Anschließend wurden die Paare durch ein Lederband oder eine Schnur miteinander verbunden, die für gewöhnlich um das rechte Handgelenk der Frau und das linke des Mannes gewickelt wurde, allerdings konnte es auch umgekehrt sein, oder sogar um beide linke oder rechte Handgelenke. Die Schnur blieb für den Rest der abendlichen Festlichkeiten verknotet.
Die Menschen lächelten immer über das unvermeidliche Stolpern und Rempeln der frisch Verbundenen, und so lustig es auch anzusehen war, achteten viele doch sorgsam darauf, wie die beiden reagierten, wie rasch sie lernten, sich einander anzupassen. Das war eine erste Prüfung der Verbindung, die sie gerade eingegangen waren, und die Älteren tauschten flüsternd Vermutungen über die Beschaffenheit und Langlebigkeit der verschiedenen Verbindungen aus, wenn sie sahen, wie gut oder schlecht die Paare mit den Einschränkungen durch die körperliche Verbundenheit zurechtkamen. Die meisten lächelten oder lachten sich gegenseitig aus und bemühten sich, durchzuhalten, bis sie später allein waren und den Knoten aufknüpfen - niemals durchschneiden - konnten.
So schwierig es auch für Paare sein mochte, noch schwieriger war es für jene, die sich zu dritt, oder seltener zu viert, miteinander verbunden hatten, doch das war angemessen, da solche Beziehungen größere Anpassungen erforderten, wenn sie von Dauer sein sollten. Jede Person musste wenigstens eine Hand frei haben, daher wurden meist die linken Hände der mehrfach Verbundenen zusammengeknüpft. Von einem Platz zum anderen zu gehen, Essen und Trinken zu holen, sogar Wasser zu lassen, musste aufeinander abgestimmt werden, ob sich nun zwei oder mehrere verbunden hatten. Gelegentlich konnte jemand das Hemmnis nicht ertragen, wurde unleidig und wütend, was nichts Gutes für die Verbindung verhieß, und ganz selten wurde der Knoten durchtrennt, um die Beziehung zu lösen, noch bevor sie begonnen hatte. Der durchtrennte Knoten war immer das Zeichen für das Ende einer Verbindung, so wie das Verknoten für deren Anfang stand.
D ie Hochzeitsfeier begann für gewöhnlich am Nachmittag oder frühen Abend, damit für die Festlichkeiten nach Einbruch der Dunkelheit genügend Zeit blieb. Das Lied von der Mutter, gesungen oder rezitiert, beendete die formelle Hochzeitszeremonie und war das Zeichen für den Beginn des Festmahls und anderer Festivitäten.
Ayla und Jondalar blieben während der gesamten Zeremonie dort, und obwohl Ayla sich schon vor deren Abschluss langweilte, hätte sie das nie zugegeben. Den ganzen Nachmittag über waren Menschen hinzugekommen und wieder gegangen, und Ayla war klar, dass sie nicht die Einzige war, die sich bei dem langen Vortrag der Namen und Zugehörigkeiten und der Wiederholung ritueller
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