führen ist aus den genannten Gründen ganz sicher schwieriger geworden. Streß durch die Arbeit, Arbeitslosigkeit, die Geburt von Kindern und deren Erziehung, außereheliche Beziehungen stellen schwer zu schulternde Bürden für alle Paare dar. Gleichwohl gibt es Mechanismen, diese Belastungen in einem erträglichen Rahmen zu halten. Wie erwähnt, hängt die Zufriedenheit der Ehepartner auch davon ab, ob es ihnen gelingt, belastende Ereignisse zu vermeiden oder sie konstruktiv zu bearbeiten. Wesentliches Merkmal war die Bereitschaft zur offenen Kommunikation in Konfliktsituationen. Glückliche Paare zeigen mehr positive Verhaltensweisen wie neutrale, positive und aufgabenorientierte Problembeschreibungen, Zustimmung, Humor und Lachen oder andere positive Reaktionen. Das alles kann man notfalls auch lernen, und sei es mit der Hilfe geeigneter Paartherapeuten.
Ein weiterer Punkt ist die Kindererziehung: Seit 1960 hat sich die Zeit, die Eltern jede Woche zusammen mit ihren Kindern verbringen, um zehn bis zwölf Stunden verringert (Ernst, 1998, S. 37). In den USA verbringen Erwachsene durchschnittlich 72 Minuten täglich im Auto, weniger als die Hälfte dieser Zeit verbringen sie mit ihren Kindern. Das ist gewiß kein gutes Verhältnis, es ließe sich sicherlich – z.B. auf Kosten des TV-Konsums – zugunsten der Kinder verbessern. Mehr elterliche Zuwendung verschafft dem Kind das Gefühl sicherer Bindungen und ein stabiles Selbstkonzept. Dann benötigt es auch keine histrionischen Inszenierungen, um die Zuwendung, Nähe und Unterstützung der Eltern wenigstens kurzfristig zu erzwingen. Und die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, daß es später eine zufriedenstellende Ehe führen wird. Familiäre Bindungen allein sind für Kinder wie für Erwachsene nicht immer ausreichend, sie können durch nachbarschaftliche Beziehungen und die Mitarbeit in Vereinen und Bürgerinitiativen ergänzt werden. Schließlich leben Kinder wie Erwachsene immer auch in einer historischen und kulturellen Umwelt, deren Kenntnis zum Entstehen einer lokalen, regionalen und auch nationalen Identität beiträgt. Wenn ein Mensch einen Ort, eine Region, eine Nation als Heimat empfindet, dann hat er Bindungen entwickelt.
In den Organisationen entsteht langsam ein Bewußtsein für die Kosten des hier beschriebenen Mentalitätswechsels. Eine Folge davon ist, daß das Stichwort Vertrauen seit einigen Jahren ein Thema in der Organisationspsychologie ist (vgl. Winterhoff-Spurk, 2002). Stabiles Vertrauen in Organisationen trägt u. a. zur Reduzierung von Transaktionskosten, zur Entwicklung von kooperativem, auch altruistischem Verhalten, zur Kooperation zwischen Vorgesetzten und Untergebenen insbesondere in Krisenzeiten und beruhigenderweise auch zur Gewinnmaximierung bei. Zu den vertrauensbildenden Organisationsmerkmalen, die mit einem hohen und dauerhaften Engagement der Mitarbeiter verbunden sind, zählen:
Hohe Arbeitsplatzsicherheit,
sorgfältige Personalauswahl,
überdurchschnittliche Bezahlung,
keine zu großen Gehaltsdifferenzen zwischen dem bestbezahlten und dem am schlechtesten bezahlten Mitarbeiter,
Zahlung von Erfolgsprämien,
Mitarbeiterbeteiligung am Betriebsvermögen,
gute Informationspolitik,
Mitbestimmung am Arbeitsplatz und Machtdelegation,
Einführung von Gruppenarbeit und
regelmäßige und systematische Weiterbildung der Mitarbeiter (Pfeffer, 1994).
Diese Merkmale schaffen Bindungen zur Organisation, sie finden sich auch gegenwärtig, und zwar vor allem in Familienbetrieben und bei Firmen, die nicht im Besitz von anonymen Aktionären sind. Die Forschung zeigt aber auch, daß das Vertrauen von Menschen in Organisationen leichter zu zerstören als aufzubauen ist. Ist es einmal zerstört, so sinken die Leistung, das Engagement und die Verweildauer in der Organisation. Es gibt also sehr wohl Hinweise darauf, daß die globalen, ausschließlich am »Shareholder-value« orientierten Organisationen durchaus einmal an ihren inneren Widersprüchen zugrunde gehen könnten (vgl. dazu auch Kennedy, 2001).
Bindungssicherheit im politischen Bereich ist ungleich schwerer herzustellen. Sie beginnt aber sicherlich damit, die für alle Beteiligten gefährlichen Idealisierungen abzubauen. Politiker sind keine Heiligen- oder Vaterfiguren, sie sind Interessenvertreter für spezifische Gruppen der Gesellschaft. Deren Anliegen sollen sie artikulieren und durchsetzen. Entsprechend sollten sie weder von den Medien noch von den Bürgern ständig hofiert
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