Auftrag der Bertelsmann-Stiftung in den Schulen der alten Bundesländer ergeben, daß zwar rund 70% der befragten Schulen Aktivitäten im Bereich Medienerziehung angeben. Fast alle aber beziehen sich nur auf punktuelle Projekte, etwa im Rahmen von Aktionstagen. Kontinuierliche medienpädagogische Arbeit wird nur von 8% der Schulen berichtet (Tulodziecki & Schöpf, 1992). In einer späteren repräsentativen Befragung von Grundschulen des Landes Nordrhein-Westfalen wurden die Hälfte aller Grundschulen mit einem Fragebogen angeschrieben, davon wurden 742 ausgefüllt zurückgeschickt (= 21% aller Grundschulen in NRW). Hier fand sich, daß nur 19% der Stichprobe Medienerziehung betreiben oder betreiben werden (Herzig, 2000). Tulodziecki und Schöpf (1992, S. 165) bilanzieren daher die Situation in Deutschland so: »Ein eigenes Fach Medienerziehung existiert im allgemeinbildenden Schulwesen der Bundesrepublik Deutschland nicht. Bewußte Medienerziehung erfolgt – wenn überhaupt – in einzelnen Fächern, Arbeitsgemeinschaften oder Projekten. In der Regel findet Medienerziehung nur punktuell in einzelnen Fächern statt.« Dies hat sich bis heute nicht nachhaltig verändert (vgl. Möller & Tulodziecki, 2000).
Auch im Bereich der familiären Medienerziehung liegen die Dinge nicht viel besser. Zwar besteht ein großes Interesse am Thema bei den Institutionen der Elternbildung, das Interesse der Eltern aber hält sich in Grenzen. Insgesamt gibt es zwar inzwischen eine beeindruckende Zahl von Materialien zur Medienerziehung, sie werden aber nicht genutzt. Insbesondere in Ein-Eltern-Kind-Familien findet Medienerziehung vor allem als »Laisser-faire« statt (Burkhard, 2001, S. 366).
Warum ist das so? Zum einen sind Medien- und Kulturpolitik Ländersache. Wenn in Sachsen ein Schulfach Medienkunde eingeführt wird, muß Bremen dies noch lange nicht übernehmen. Ferner gibt es auch andere wichtige Themen – Umwelt-, Verkehrs-, Friedens-, Sexual- und Gesundheitserziehung -, die um knappe Unterrichtszeiten an den Schulen konkurrieren. Auch wird in der deutschen wie der internationalen Literatur häufig berichtet, daß es den Lehrern an medienpädagogischer Kompetenz fehlt, sie haben es während ihrer Ausbildung ja nicht gelernt. Am wichtigsten erscheint jedoch die Tatsache, daß der technologische Wandel und die entsprechende individuelle Anpassung auch ungesteuert passieren, ohne daß nachteilige Folgen sofort erkennbar wären – es hat sich ja noch niemand erkennbar zu Tode amüsiert.
Nötig wäre dies alles nicht: Die Medienforschung hat gezeigt, daß medienpädagogische Konzepte die Kinder und Jugendlichen zu einem angemessenen Umgang mit dem Fernsehen befähigen. In den Institutionen der Erwachsenen- und der Lehrerbildung stehen auch genügend qualifizierte Materialien zur Verfügung. Das nutzen aber vorzugsweise diejenigen Milieus, die ihre Kinder ohnedies schon zu einem selektiven Umgang mit dem Medium anhalten. So erfreulich also die hier erkennbare Möglichkeit einer individuellen Gegensteuerung unerwünschter Fernsehwirkungen ist, so dringend ist auch die Überwindung dieser Milieugrenzen innerhalb und außerhalb des Schulsystems erforderlich.
Wenn es also mit der Medienkompetenz nicht weit her ist, dann gibt es noch einen anderen Ansatzpunkt: Die Kombination medienpädagogischer Aktivitäten mit gesellschaftspolitischem Engagement, auch dies läßt sich einem erweiterten Verständnis von Medienkompetenz zurechnen. Dafür finden sich beeindruckende Beispiele in den USA, etwa vor rund zwanzig Jahren in der Kleinstadt Farmington, 150 Meilen nordöstlich von New York (vgl. Winterhoff-Spurk, 1986). Die Leiterin der dortigen Bibliothek hatte mit Kummer feststellen müssen, daß immer weniger Kinder Bücher ausliehen. So entschlossen sich rund 1.000 Einwohner zu einer mindestens einwöchigen TV-Diät, weitere 4.000 schränkten ihren Konsum stark ein; zusammen war das mehr als ein Viertel der Bevölkerung dieser Stadt. Begleitend wurden für die Kinder der beteiligten Familien in der Bibliothek Aufsatzwettbewerbe, Bastelstunden, Märchen-Workshops und dergleichen angeboten. Offenbar erzielte die Aktion »Farmington turns off!« auch die erwünschten Wirkungen. In einer eigens erstellten Informationsmappe wird dazu angegeben: mehr gemeinsame Aktivitäten innerhalb der Familie, bessere Schulnoten, weniger aggressives Verhalten und erhöhte Aufmerksamkeit in der Schule sowie ein dauerhaft reduzierter Fernsehkonsum. Nach den
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