und idealisiert, sondern motiviert und kontrolliert werden: Machen sie ihre Arbeit gut, beauftragt man sie wieder; tun sie es nicht, werden sie durch andere ersetzt. Ob sie gut aussehen, telegen sind oder Charisma haben, ob sie unterhaltsam, originell oder witzig sind, ob sie gar eine Talkshow leiten könnten, ist für diese Funktion ebenso unwichtig wie ihre sexuellen Vorlieben und Eskapaden. Ein solches Politikerverständnis schützt vor der oben beschriebenen Idealisierungs-Depotenzialisierungsdynamik und läßt auch den Politiker wieder zu einem erreichbaren und kontrollierbaren Mitmenschen werden. Bindungssicherheit stellt sich allerdings auch durch die konkrete Erfahrung der Möglichkeit zur Mitgestaltung politischer Entscheidungen auf allen Ebenen ein. Menschen, die sich beteiligen können, bedrückt nicht das Gefühl, wenig oder keinen Einfluß auf die ökonomischen, politischen und sozialen Faktoren zu haben, die ihr tägliches Leben beeinflussen. Sie geraten nicht in eine Situation der »erlernten Hilflosigkeit«, die ihnen die Welt bedrohlicher macht, als sie ist. Sie werden ihr Land nicht mehr für unsicherer oder für wirtschaftlich weniger blühend halten. Bindungssicherheit im politischen Bereich heißt aber auch, sich den prägenden Einflüssen des Fernsehens hinsichtlich der Darstellung von Politik und Politikern weitgehend zu entziehen. Im Fernsehen lernt man nicht, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren.
Schließlich soll aber auch noch einmal daran erinnert werden, daß man individuell ganz gut ohne Fernsehen leben kann. Zwischen zwei und vier Prozent der deutschen Bevölkerung tun dies inzwischen ohne erkennbaren Schaden (Bonfadelli, 2000). Und wenn es denn ein wenig Personalisierung bedeutet, sei gleichwohl auch dies noch berichtet: Der Autor hat selbst eine längere TV-Abstinenz (zugegebenermaßen: versehentlich) ausprobiert. Als die für das Saarland zuständige Kabelgesellschaft ihre Gebühren erhöhte, kündigte er den Anschluß, vergaß aber, eine Alternative dafür zu organisieren. So begann ab November 2003 unfreiwillig eine Periode ohne Fernsehen, es wurde (und ist einstweilen noch) eine wunderbare Zeit mit viel Lektüre, Musik und Gesprächen.
So gibt es schon Möglichkeiten, für sich selbst und andere ein höheres Maß an Bindungssicherheit herzustellen, die allmähliche Vereisung des Sozialcharakters durch das Fernsehen ist durchaus aufhaltbar. Damit zu guter Letzt zurück zum Kalten Herzen. Das Märchen hat diesem Buch auch deswegen den Titel gegeben, weil es zwar zeigt, wie falsche Ziele scheitern, aber auch darlegt, wie die seelische Gesundheit nach einer Krise wiederzufinden ist.
Geschäftlich hatte er zwar zunächst jeden Erfolg, der Peter Munk, aber menschlich wurde es einsam um ihn. Nachdem er dann auch noch seine schöne und tugendsame Ehefrau durch einen heftigen Streit verloren hatte, drohte ihm schließlich die körperliche und seelische Vernichtung durch den Herrn des Waldes, das Glasmännlein. In der verbleibenden Frist von acht Tagen rettete ihn letztlich eine intakte Bindung, nämlich die seiner Frau zu ihm: Sie erschien ihm mehrfach im Traum und forderte ihn zur Umkehr auf. Dadurch besann er sich, gewann durch einen Trick sein warmes Herz vom Holländermichel zurück und wurde »... ein fleißiger und wackerer Mann. Er war zufrieden mit dem, was er hatte, trieb sein Handwerk unverdrossen, und so kam es, daß er durch eigene Kraft wohlhabend wurde und angesehen und beliebt im ganzen Wald. Er zankte nie mehr mit Frau Lisbeth, ehrte seine Mutter und gab den Armen, die an seine Türe pochten« (Hauff, 1989, S. 75).
Auch wenn das Happy-End für unsere Zeit womöglich zu biedermeierlich-betulich geraten ist, so scheint doch die Aufforderung, mit der Wilhelm Hauff vor bald 200 Jahren die Wandlung des Peter Munk beginnen läßt, auch als abschließende Aufforderung an Sie, verehrter Leser, bestens geeignet:
»Peter, schaff dir ein wärmeres Herz!«
Dank
Eine erste Fassung des Manuskripts wurde durch freundschaftliche Kritik von Fachkollegen, Autoren und Studenten deutlich verbessert. In dieser Weise haben mir geholfen: die Medienpsychologen Kathrin Funk-Müldner und Dr. Frank Schwab, die Journalisten Anke Schaefer und Jochen Reiss, die Filmemacherin und Autorin Uli Dickmann sowie der Drehbuchautor und Schriftsteller Manfred Jacobs.
Das Manuskript hat – zuverlässig und geduldig wie immer – meine Sekretärin Doris Mast erstellt.
Der zuständige Lektor
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