RTL II und Vox. Dort bevorzugen sie aktuelle amerikanische Serien wie Ally McBeal oder Buffy – Im Bann der Dämonen, herausragende Spielfilme, Comedy- und Lifestyle-Sendungen. Auch Reality-Formate wie Popstars – Du bist mein Traum (RTL II) oder Big Brother (RTL II) finden ihr Interesse. Die Experimentalisten sehen länger und thematisch etwas breiter fern, ihre bevorzugten Sender sind ebenfalls ProSieben, Vox und RTL II, dazu noch Kabel 1. Ihr Interesse reicht von klassischen US-Serien und Filmen, Mystery-, Horror- und Science-Fiction-Sendungen über Zeichentrickserien mit Kultcharakter, Comedysendungen und Serienklassiker bis zu Kultursendungen und zeitkritischen Sendungen. Die jungen Hedonisten sehen leicht unterdurchschnittlich lange fern, vor allem Pro Sieben, RTL II und Vox. Sie haben ein sehr breites, aber immer unterhaltungsorientiertes Nutzungsspektrum, von Sitcoms über amerikanische Serien und Spielfilme bis zu Comedies, Talkshows und Reality-Formaten.
Insgesamt zeigt sich, daß die jungen Milieugruppen den privaten Sendern deutlich den Vorzug geben und somit einen ausgeprägten Schwerpunkt bei einer unterhaltungsorientierten Nutzung des Fernsehens haben. Alle drei treffen sich bei aktuellen amerikanischen Serien, bei Spielfilm-Highlights und bei Comedysendungen. Die Modernen Performer sehen gemeinsam mit den Hedonisten Reality-Formate. Man muß kein Prophet für die Vorhersage sein, daß die in den USA gegenwärtig laufende Reality-Serie The Apprentice für diese beiden Milieus wie geschaffen ist. In dieser Sendung kämpfen Top-Absolventen von Eliteuniversitäten in der Firma des Immobilien-Milliardärs Donald Trump um einen echten 200.000 Dollar-Job (Kreye, 2003). Alleine sehen die Modernen Performer Lifestyle-Sendungen, die Experimentalisten Zeichentrickserien mit Kultcharakter, US-Serienklassiker, Kultursendungen und zeitkritische Formate und die Hedonisten Talkshows.
Mit diesen Nutzungsgewohnheiten geraten sie immerhin zwischen knapp drei (Moderne Performer, Hedonisten) und nahezu vier Stunden täglich (Experimentalisten) unter den prägenden Einfluß des Mediums, denn Fiction und Unterhaltung sind die wichtigsten Verbreiter der histrionischen Botschaften des Fernsehens. Die progressiven Modernen Performer holen sich zudem aus Lifestyle-Sendungen die notwendigen Informationen, den jeweils geltenden »Dresscode« für ihren Auftritt als Ich-AG; die regressiven Experimentalisten mit ihren fast vier Stunden TV-Konsum erhalten dort die gewünschte orale Regression und finden in den Kultursendungen Hinweise auf neue, zeitkritische Inszenierungsvarianten. Die jungen Hedonisten träumen bei Talkshows und Reality-Formaten ihren Traum von medialer Prominenz.
Resümieren wir dieses Kapitel. Welche Unterschiede finden sich hinsichtlich des neuen Sozialcharakters in den verschiedenen gesellschaftlichen Milieus?
Zunächst wurde deutlich, daß er sich über die Alters- und nicht über die Bildungsgruppen etabliert. Er entsteht aufgrund spezifischer, generationentypischer Sozialisationsbedingungen zuerst bei den jüngeren, besser gebildeten Trendsettern. Die älteren gesellschaftlichen Gruppen übernehmen ihn im allgemeinen deswegen nicht, weil sie ihre zentralen Einstellungen und Werthaltungen in ihrer Jugend erworben haben und weil diese vergleichsweise resistent gegen Änderungen sind. Dies gilt später auch für den jeweils neuen Sozialcharakter, er altert mit den Gruppen, die ihn zuerst erworben haben. Von den Innovatoren aus diffundiert er zunächst in die altersgleichen, aber weniger gebildeten Milieus, später, durch die Sozialisation der nächsten Generation, auch in die jüngeren Milieus. Dort wird er entsprechend zu den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmen- und Sozialisationsbedingungen übernommen, modifiziert oder durch einen neuen Typus ersetzt. Die formale Bildung beeinflußt vor allem das Tempo der Übernahme und die phänotypischen Erscheinungsbilder. Das Fernsehen im ganzen und in einzelnen Genres im besonderen potenziert diese Tendenzen, bei den formal wenig gebildeteren Zuschauern im allgemeinen stärker als bei den Gebildeten.
Konkret vollzieht sich die Entwicklung kalter Herzen, die allmähliche Vereisung des Sozialcharakters, gegenwärtig und in der nahen Zukunft so: Der histrionische Sozialcharakter ist in der Nachkriegszeit in einer gesellschaftlichen Situation zunehmender Bindungsunsicherheit entstanden, er hat sich im Selbstverwirklichungsmilieu nach Schulze (1992) mit der
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