etwas Eßbarem gesucht«, sagte Mimi. »Glauben Sie, Beech hat ein paar Teebrötchen oder dergleichen aufgehoben?«
»Ich habe noch etwas Kuchen in meiner Höhle«, sagte Roper wie der Held aus einem guten Buch für Jungen.
Diesmal war die Tür offen, und aus dem Zimmer ergoß sich freundliches Licht in die Eingangshalle.
Das Zimmer war von jedem anderen Raum, den sie in diesem Haus betreten hatten, vollkommen verschieden und glich nicht im geringsten einer Höhle oder auch nur einem Arbeitszimmer. Die Lampen waren modern, wirkungsvoll, passend und dekorativ. Die Sitzgelegenheiten waren weich und bequem. Der Eisenbahnfluch (wie Margaret es nannte) schien hier vollkommen abwesend. Wie Roper gesagt hatte, brannte ein vorzügliches Feuer in einem modernen Kamin, umgeben von reizlosen, aber keineswegs häßlichen holländischen Kacheln. Dies schien das wirkliche Wohnzimmer des Hauses zu sein.
»Was für ein schönes Zimmer!« rief Mimi. »Sieht so aus, als sei am Ende doch eine Frau im Haus. Warum konnten wir nicht früher hierherkommen?« Ihre schnell wachsende Dominanz kam Margaret beinahe hysterisch vor.
»Ich dachte, der Anlaß erfordere Förmlichkeit.«
»Sie sind ein Spielverderber, wenn Sie mich fragen.« Mimi ließ sich in ein Sofa fallen und streckte die behosten Beine von sich. »Gieß ein, Margaret, bitte!«
Margaret, die sich darüber klar war, daß eigentlich Mimi in schlechtem Licht erscheinen sollte, es in Wahrheit aber sie, Margaret, war, die sich, wie ungerechtfertigt auch immer, in dieser Lage befand, wiederholte mit dem Tee denselben Dienst, den sie bereits beim Kaffee geleistet hatte. Roper, der das Tablett auf einem kleinen Tisch bei einem Sessel abgestellt hatte, in dem Margaret sich jetzt unweit des Feuers niederließ, trug eine der großen, vollen Tassen zu Mimi. Er schenkte ihr mit fürsorglicher Vertraulichkeit Milch ein und schien einen ihrer üblichen Witze über die gewünschte Zuckermenge hinreißend komisch zu finden. Er bewegte sich ziemlich gut, dachte Margaret. Mimi hatte überdies recht, was seine Stimme anging. Seine Bemerkungen hingegen schienen zumeist, wenn er auch niemals über sich selbst sprach, im Lichte dieser Tatsache auffallend egozentrisch. Es wäre unausstehlich, ihm ein ganzes Leben zuhören zu müssen.
Unversehens trug er Kuchen auf. Keine der Frauen sah, wo er hergekommen war, doch als er vor ihnen stand, entdeckten beide, daß sie noch Appetit hatten. Er schmeckte nach Vanille und wurde von Zitronat erstickt.
In der Küche war Margaret aufgefallen, daß der Schienenverkehr trotz der späten Stunde unabweisbar zuzunehmen schien; aber in diesem kleinen Raum war das Geräusch sehr gedämpft, da die Strecke auf der abgelegenen Seite des Hauses verlief. Trotzdem hörte man noch immer die ständig vorbeirollenden Züge.
»Warum fahren jetzt noch so viele Züge? Es muß beinahe Mitternacht sein.«
»Längst vorbei, Liebes«, unterbrach Mimi, die Uhrträgerin. Der Umstand schien ihr besondere Freude zu bereiten.
»Wie ich merke, sind Sie es nicht gewohnt, in der Nähe einer Eisenbahn zu leben«, sagte Roper. »Viele Arten von Zügen werden während der gewöhnlichen Verkehrszeiten von den Schienen ferngehalten. Was Sie jetzt hören, sind die Ladungen, die Sie nicht sehen, solange die Bahnhöfe geöffnet sind. Die Eisenbahn ist wie ein Eisberg, wissen Sie: Nur sehr wenig ist für den gewöhnlichen Betrachter sichtbar.«
»Nicht sichtbar vielleicht, aber gewiß hörbar.«
»Das Geräusch stört Sie?«
»Nein. Aber geht das wirklich Tag und Nacht so?«
»Aber sicher. Tag und Nacht. Zumindest auf wichtigen Hauptlinien wie dieser.«
»Ich nehme an, Sie bemerken es schon lange nicht mehr?«
»Ich bemerke es, wenn es nicht da ist. Wenn ein bestimmter Zug zu seiner Zeit ausbleibt, bin ich ziemlich verstimmt. Sogar dann, wenn ich schlafe.«
»Aber es gibt doch bestimmt nur für die Personenzüge Fahrpläne?«
»Meine liebe Margaret, jeder Zug hat einen Fahrplan, jeder örtliche Warenverkehr, jede noch so geringe Lokbewegung. Selbstverständlich nicht die Six-Pence-Fahrpläne, die Sie am Bahnhofsschalter kaufen. Nur ein kleiner Teil aller Zugbewegungen ist darin verzeichnet. Selbst der Mann am Schalter weiß so gut wie nichts.«
»Nur Wendley weiß alles«, sagte Mimi vom Sofa aus.
Die anderen saßen zu beiden Seiten des Feuers, vor dem sie sich ausgestreckt hatte; sie hatten über ihren Körper hinweg gesprochen. Margaret fiel auf, daß Roper jetzt zum ersten Mal
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