ihren Vornamen benutzte. Es schienen Stunden vergangen zu sein, seit er Mimi mit dem ihren gerufen hatte. Plötzlich, als sie Mimi beobachtete, wie sie sich in ihren Hosen und dem enganliegenden Rollkragenpullover räkelte, erkannte Margaret deutlicher als lese sie es in einem Buch, worauf es ankam: Mimi war körperlich anziehend, sie selbst war es wahrscheinlich nicht. Und nichts sonst im Leben, auf der ganzen Welt zählte wirklich. Nichts, nichts. Ihre Klugheit, alles in allem (wie sie fand) freundlicher, kultivierter und die Tochter eines Lords zu sein, all dies war Staub unter Mimis Wagenrädern, Punkte auf der Liste zahlloser unerwünschter Hindernisse im Leben. Margaret streckte ihre Beine unvorteilhaft von sich.
»Kann ich noch eine Tasse Tee haben?« fragte Mimi. Ihr kleiner, runder Kopf war gewiß anziehend.
»Hier, bitte«, sagte Margaret. »Nun werdet Ihr beide erlauben, daß ich zu Bett gehe. Ich glaube, ich kann Schlaf gut gebrauchen, nachdem ich so durchnäßt worden bin.«
»Ich bin ein Ekel«, rief Mimi mit zärtlicher Anteilnahme. »Kann ich irgend etwas für dich tun? Wie wäre es mit einer Wärmflasche, Wendley? Margaret ist immer hilflos wie ein Schmetterling. Ich muß mich um sie kümmern.« Sie war auch ohne Frage sehr liebenswert.
»Keine Wärmflasche, bitte«, entgegnete Margaret. »Dafür ist noch nicht die richtige Jahreszeit. Ich komme zurecht, Mimi. Bis später. Gute Nacht.«
Zwischen ihrer Zuneigung und dem Wunsch, sie loszuwerden, dachte Margaret auf dem Weg nach oben, bestand bei Mimi absolut kein Widerspruch; sie nahm ihre Gefühle einfach der Reihe nach, holte das meiste aus allen heraus und gab zweifellos auch das meiste.
Diesmal gab es keine schemenhafte Gestalt, die von der Treppe fortschlich; möglicherweise rechnete Margarets Vorstellung jedoch mit einem anderen Phantom. Sobald sie das Zimmer betreten hatte, sah sie, daß das versprochene zweite Bett angekommen war, ebenso schmal und bescheiden wie das erste. In dem länglichen Zimmer standen die Betten weit auseinander. Margaret konnte nicht sicher sein, ob das zweite Bett schon dagewesen war, als sie das Zimmer beim letztenmal betreten hatte.
Mit ihren umherirrenden, unsteten Gedanken war sie immer noch bei der Szene unten, als sie das Bett auswählte, das am weitesten von der Tür entfernt stand. In diesem Augenblick schien es ihr nicht sonderlich angebracht, auf Mimi Rücksicht zu nehmen. Margaret streifte in der feuchten Luft ihre Kleider ab und ließ sie mit ungewohnter Achtlosigkeit über einen der beiden dunklen, dünnbeinigen Stühle fallen; dann, als gerade ein Zug vorbeistampfte, der die kleinen, vergitterten Fenster an den beiden Zimmerenden rasseln ließ und die Vorhänge teilte, um ein infernalisches Gleißen eindringen zu lassen, stieg sie in ihren Pyjama und in das kleine, enge Bett. Sie bemerkte jetzt zum ersten Mal, daß es keine Laken gab, nur klamme Decken. Die einzelne Öllampe zu löschen war mehr, als ihr Mut und Kälte gestatteten. Sie knöpfte ihre Jacke bis obenhin zu, wobei sie wünschte, sie wäre langärmlig gewesen. Es war nur sinnloser Stolz gewesen, groteske Feindseligkeit, die sie eine Wärmflasche hatte ablehnen lassen.
Es war ihr ganz und gar unmöglich, zu schlafen. Ihr Kopf hatte einen Höllentanz in Gang gebracht, der frühestens in einigen Stunden zur Ruhe kommen würde. Das Bett war das erste wirklich unbequeme, in dem Margaret je geschlafen hatte. Es war so schmal, daß Decken von normaler Größe so weit festgesteckt werden konnten und wurden, daß sie unter dem Benutzer überlappten, sich ineinander verwickelten, um ihn einzuschnüren, so schmal, daß die billigen, harten Federn des Eisenrahmens kein bißchen unter dem Gewicht des Schlafwilligen nachgaben. Die Matratze war nicht dafür geschaffen, ein Rautenmuster aus harten, metallischen Rippen ganz zu bedecken.
Wenn Margaret es auch am Tag vorzog, in Einklang mit ihrem zurückhaltenden und nüchternen Wesen Kleider zu tragen, die am Hals hochgeschlossen waren, stellte sie fest, daß sich im Bett dieselbe Einstellung, wie sehr die Temperaturen sie auch erfordern mochten, zu Erstickungsängsten auswuchs. Es war ihr auch, solange sie zurückdenken konnte, unmöglich gewesen, bei Licht zu schlafen. Und zu alledem gesellten sich die Züge; weniger ihr periodisch wiederkehrendes Rattern, wie sie herausfand, als die offenbar länger werdenden Pausen dazwischen. Unten schienen die Züge immer häufiger gefahren zu sein, hier oben
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