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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
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als sie aufblickte, daß das Gesicht über ihr und das dichte schwarze Haar Beech gehörten, genauso wie die gleichmütig um Entschuldigung bittende Stimme Beech gehört hatte.
    Der Alptraum gewann wieder die Oberhand, aber diesmal nur für einen kurzen Augenblick ihres Erwachsenenlebens, denn Margaret schien jetzt keinen Zweifel mehr daran zu haben, daß Beech tatsächlich eine Frau war.
    »Wo ist Ihre Freundin?«
    »Sie ist unten geblieben. Ich bin früh zu Bett gegangen.«
    »Früh?«
    »Wie spät ist es? Ich habe keine Uhr.«
    »Halb Vier.«
    Das Zweideutige der Lage wurde Margaret in allen Einzelheiten bewußt, als würde die Bühnenbeleuchtung an sämtlichen Stellen gleichzeitig eingeschaltet.
    »Was geht Sie das überhaupt an? Wer sind Sie?«
    »Was glauben Sie denn, wer ich bin?«
    »Ich dachte, Sie wären der Diener.«
    »Ich habe für die alte Miss Roper gesorgt. Bis zu ihrem Tode.«
    »Heißt das, Sie waren gezwungen, sich wie ein Mann zu kleiden?« Sie sah jetzt, daß die Frau einen dunklen Mantel und Rock und eine weiße Bluse trug.
    »Wendley konnte nicht gut allein mit jemandem in einem Haus leben, mit dem er nicht verheiratet war. Mit jemandem, den er nicht zu heiraten beabsichtigte.«
    »Warum sind Sie dann nicht gegangen?«
    »Nach dem, was mit Miss Roper geschehen war?«
    »Was haben Sie mit Miss Roper gemacht?« Margaret sprach sehr leise, aber bestimmt. Jedes Gefühl war in ihr erstorben, außer einer unter der Oberfläche flackernden Eifersucht auf Mimi, einer den Tod wünschenden Sympathie für die mordende Fremde an ihrer Seite, so daß sie fähig war, ebenso bestimmt wie vorher hinzuzufügen: »Miss Roper war verrückt, oder?«
    »Ganz und gar nicht. Warum sagen Sie das?«
    »Ihr Vater verhinderte ihre Heirat. Die Gitter vor den Fenstern.«
    »Man kann an der Liebe leiden, ohne wahnsinnig zu werden, wissen Sie. Und nicht nur Irrenhausfenster haben Gitter.«
    Die große, weiße Hand mit dem schwarzen Ring am Verlobungsfinger war die ganze Zeit auf Margarets Schulter liegengeblieben. Nun wurde Sie mit einer heftigen Bewegung fortgenommen.
    »Also war das hier einfach ein Gefängnis? Warum? Was hat Miss Roper getan?«
    »Es hatte etwas mit der Eisenbahn zu tun. Ein Geheimnis, das der Großvater an sie weitergegeben hatte und das sie Wendley nicht offenbaren wollte. Ich habe nie nach Einzelheiten gefragt. Ich war verliebt. Sie wissen genausogut wie ich, was das bedeutet.«
    »Was für ein Geheimnis? Und warum mußte es ein Geheimnis bleiben?«
    »Ich weiß nicht, was für ein Geheimnis. Ich will es auch gar nicht wissen. Sie wollte es vor Wendley bewahren, weil sie wußte, was er damit machen würde. Sie versuchte die ganze Zeit, es anderen Leuten zu sagen.«
    »Deshalb ...« , Margaret hätte fast gesagt, »deshalb winkte sie also«, unterbrach sich aber. » Was hätte Wendley denn getan?«
    »Ihre Freundin dürfte inzwischen eine Vorstellung davon haben.« Diese unerwartete Bemerkung wurde im Ton äußerster Gehässigkeit vorgebracht.
    »Was meinen Sie damit? Wo ist Mimi?« Dann überrollte sie eine plötzliche Panik. »Ich werde Mimi sofort holen gehen.« Sie kämpfte sich aus ihrem Kinderbettchen und stieß sich dabei heftig an den Eisenstäben. Die Züge schienen schon lange ausgeblieben zu sein, und es war grauenhaft still im Stillen Tal.
    Die Frau näherte sich dem billigen, kleinen Schlafzimmerstuhl, auf dem Margarets Kleider übereinander lagen, wie sie sie hatte fallen lassen, griff sich Margarets Tuch und hielt es mit beiden Händen im Abstand von etwa zehn Zentimetern. Im unbedeutenden Licht einer Öllampe begann eine langsame Jagd durch den länglichen engen Raum.
    »Sie sind nicht wirklich auf seiner Seite«, schrie Margaret hoffnungslos. »Sie wissen, was unten geschieht.«
    Die Frau gab keine Antwort, sondern vergrößerte nur den Abstand zwischen ihren Händen ein wenig. Margaret erkannte, welch dummer Fehler es gewesen war, sich freiwillig das von der Tür am weitesten entfernte Bett auszusuchen. Trotzdem waren wie beim ›Fangenspielen‹ von Kindern einige Ausweichmanöver möglich, bevor sie sich an die hinterste Wand gedrängt sah, ohne Ausweg und fast genau unter der Falltür in der Zimmerdecke. Wenn sie nur die andere Tür erreichen könnte, die Zimmertür! Manches wäre dann möglich.
    Als sie die Stelle unter der Falltür erreichten, streifte Margarets Absatz Mimis offenen Rucksack, von der Eigentümerin dorthin geschleudert, von Margaret seither vergessen oder unbemerkt

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