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nicht wahr?«
    »Keine Milch«, erwiderte Noelle. »Aber ich hätte nichts gegen einen Löffel Zucker.«
    »Das sollten Sie aber besser lassen«, sagte Kay, voller Wärme und Verständnis.
    »Ich weiß«, sagte Noelle.
    Kay reichte ihr die Tasse. Alle Teile gehörten zu einem Service, das Franklin irgendwo auf einer Auktion erstanden hatte.
    »Ändert es etwas?« fragte Noelle.
    »Woran, meine Liebe?«
    »An Ihren Gefühlen für Franklin. An der Qualität Ihrer Ehe.«
    »Ganz gewiß nicht. Wie ernst Sie sind!«
    »Ja«, sagte Noelle. »Ich glaube, ich bin ein ernster Mensch.«
    »Das muß es auch geben«, sagte Kay.
    Noelle begann, ihren Kaffee umzurühren. »Haben Sie jemals einen Mann gekannt, der sich John Morley-Wingfield nannte?«
    »Wenn Sie meinen, ob er einer von ihnen war, ist die Antwort nein. Meine hatten keine derartigen Namen.«
    »Er lebt vielleicht in der Nachbarschaft«, sagte Noelle. »Aber Sie haben nie von ihm gehört?«
    »Nie«, sagte Kay. »Und ich glaube, Sie auch nicht. Sie haben ihn sich nur erträumt.«
     
    In Kays Nachthemd, ganz in Pink, lag Noelle in einem von Kays Betten, ohne Schlaf zu finden. Da Kay keine Kinder hatte, gab es nicht weniger als vier überzählige Zimmer in dem Haus; und da Kay Kay war, standen alle vier stets zur Verfügung. Das war gelegentlich ganz sinnvoll – so wie jetzt.
    Die Tür öffnete sich leise. In dem Lichtschein, der aus dem Flur einfiel, konnte Noelle Agnews zerzausten Kopf erkennen.
    »Mami.«
    »Was hast du, Liebling?«
    »Wer war der Mann, mit dem du spazierengegangen bist, als ich schon hier war? War es Vati?«
    Die fast vollständige Dunkelheit machte es Noelle entschieden leichter.
    »Natürlich war es nicht Vati, Agnew. Es war jemand ganz anderes. Aber wie kommt es, daß du ihn überhaupt gesehen hast?«
    »Mrs. Steiner machte viel Wind um Judith, das war mir langweilig, da bin ich nach Hause gelaufen. Wer war der Mann, Mami?«
    »Es war ein Freund von Vati, der nicht eher kommen konnte. Solche Leute gibt es im Leben immer. Man darf sich von ihnen nicht aus der Bahn werfen lassen.«
    »Mami, wirst du ihn heiraten?«
    »Ich glaube nicht, Agnew. Ich habe vorerst nicht vor, irgendjemand zu heiraten. Nur dich.«
    »Wirklich nicht, Mami? Warum bist du dann mit ihm weggegangen, wenn er bloß Vatis Freund war?«
    »Er wollte mich auf andere Gedanken bringen. Das war lieb von ihm. Es ist ja ein schwerer Tag für mich gewesen, Agnew.«
    »Bist du sicher , daß das alles ist, Mami?«
    »Ganz sicher, Agnew. Nun komm ein Weilchen zu mir ins Bett, und wir sprechen nicht mehr darüber, wir denken nicht mal mehr daran.«
    Agnew legte seine Arme um sie, preßte sich eng an ihre Brüste; alles war friedlich bis zum nächsten Tag.
     
     

Die Schulfreundin
    Ausgenutzt zu werden,
    ist der geheime Wunsch jeder Frau,
    Prinzessin Elizabeth Bibesco
     
    E
    s wäre falsche Bescheidenheit zu leugnen, daß Sally Tessler und ich die Leuchten der Schule waren. Später wunderte sich niemand darüber, daß ich mich immer rascher verschlechterte, aber Sally blieb über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg eine Leuchte. Wie viele Männer, aber nur wenige Frauen, selbst wenn sie der Gelehrsamkeit zuneigen, verband Sally eine aufrichtige Liebe zu den Klassikern der Antike mit einem Verständnis für die Mathematik, das mir mit meinem sehr begrenzten Interesse fast wie Zauberei erschien. Sie gewann drei Stipendien, zwei Goldmedaillen und einen Aufenthalt bei den Hellenen mit Erstattung aller Auslagen. Ehe sie noch die Abschlußprüfung bestanden hatte, hatte sie ein kleines Buch ›Mathematik für Laien‹ veröffentlicht, das ihr meines Wissens eine erstaunliche Geldsumme eintrug. Später edierte sie mehrere lateinische Autoren von geringerem Rang in Buchreihen von so kleiner Auflage, daß sie ihr nichts als innere Befriedigung beschert haben konnten.
    Die Fundamente dieser ganzen Gelehrsamkeit waren höchstwahrscheinlich bereits in Sallys frühester Kindheit gelegt worden. Es ging die Geschichte, daß Dr. Tessler einst das Opfer einer schweren Ungerechtigkeit gewesen war oder dies doch wenigstens glaubte. Alles sprach dafür, daß er, mit den Worten der Nachbarn, »nie sein Haus verließ«. Sally selbst erzählte mir einmal, daß sie nicht nur keine Erinnerung an ihre Mutter hatte, sondern auch nie auf eine Spur oder Hinterlassenschaft von ihr gestoßen war. Von Anfang an war Sally, so sagte man, von ihrem Vater allein aufgezogen worden. Gerüchte wollten wissen, daß Dr.

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