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recht gehabt. Dessen war sie sich immer bewußt gewesen.
    »Ich werde meinen Hut absetzen«, sagte der Mann, »dann werden Sie sich besser fühlen.«
    Und unter seiner Führung waren sie im Nu hindurch. Auf der anderen Seite angelangt, mußte Noelle zugeben, daß sie keinen besonderen Schaden an seinem Anzug feststellen konnte, abgesehen von den Schuhen, und daß ihr eigener elegant fallender Regenmantel unversehrt schien.
    Der Mann hatte kurz aufgelacht, aber nun standen sie beide schweigend auf der nächsten Schneise. Die Baumstrukturen, das grüne und braune Laub kamen Noelle mehr denn je wie eine geheimnisvolle Architektur vor. Auch sie riefen die Erinnerung an das Begräbnis in ihr wach, und ihr wurde klar, daß es ihr mit vielen Dingen noch geraume Zeit so ergehen würde, möglicherweise für den Rest ihres Lebens, das ohnehin nur noch kurz sein mochte – wie in Melvins Fall.
    »Das hat was«, bemerkte Noelle schließlich. »Das muß ich zugeben.«
    »Ja«, sagte der Mann. »Aber Sie sind beinah das einzige Wesen, das es zu spüren vermag. Sie sind eine wunderbare Person.«
    Die ganze Zeit über hörte man ein schwaches Klopfen und Pochen, das Noelle beim letzten Mal ganz sicher nicht bemerkt hatte. Sie nahm an, daß sie es unter den damaligen Umständen mit Leichtigkeit überhört haben konnte. Sie erwähnte es mit keinem Wort. Es erinnerte sie an eine englische Aufführung des ›Rheingold‹ im Coliseum, der sie mit einer Gruppe deutscher Geschäftsleute beigewohnt hatte. Sie hatte kein Wort verstanden und keine Note zu schätzen gewußt, wenngleich die Deutschen darauf nachher überaus höflich und umgänglich reagiert hatten.
    »Sie küßten mir alle die Hand«, sagte Noelle laut. »Jeder einzelne.«
    Der Mann sah sie an.
    »Es tut mir leid«, sagte Noelle. »Ich habe laut gedacht. Ich muß sehr müde sein.«
    »Natürlich sind Sie müde, liebe, süße Noelle«, sagte der Mann. »Sie wissen kaum, wo Ihnen Ihr reizender Kopf steht und ob es wirklich Ihre hübschen Füße sind, die Sie tragen.« Er schaute auf Noelles Stiefel. »Aber wir werden all das ändern. Langsam, aber sicher.«
    Es wäre unhöflich von Noelle gewesen, nicht zu lächeln, aber ihr Lächeln blieb unverbindlich.
    »Das Haus, von dem Sie sprachen, steht auf der anderen Seite der Schneise?« fragte der Mann, ohne sich allzu ersichtlich über sie lustig zu machen. Er hatte seinen Hut wieder aufgesetzt.
    »Dort hindurch«, sagte Noelle und wies die Richtung.
    »Noch mehr Büsche!« rief der Mann in gespielter Ironie aus.
    »Keine so dichten. Dann kommt man zu einem Stacheldrahtzaun. Was Ihnen alles bestens bekannt ist. Ihre Schuhe werden leider in dem nassen Moos Schaden nehmen. Aber das ist allein Ihre Schuld.«
    »Aber natürlich!« rief der Mann wie zuvor. »Gehen Sie bitte voraus.«
    Noelle watete durch das Meer von Moos, ohne zurückzublicken. Sie fragte sich, ob kleine Schlangen und gräßliche Insekten darin verborgen waren, die von der Feuchtigkeit hervorgelockt wurden, aus Gründen der Nahrungsaufnahme möglicherweise.
    Auf der anderen Seite waren das Pochen und das Klopfen weit deutlicher zu vernehmen. Noelle warf rasch einen Blick nach hinten. Sie sah, daß die Schuhe des Mannes bei jedem Tritt untertauchten und daß bei jedem Schritt, den er machte, Wasser an ihnen herablief. Sie wußte aus eigener Erfahrung, wie klatschnaß die Hosenränder bei solchen Gelegenheiten werden.
    »Alles in Ordnung?« erkundigte sie sich zaghaft.
    »Weiter, weiter«, sagte der Mann. »Gehen Sie nur weiter, als ob ich gar nicht da wäre.«
    Noelle dachte einen Moment lang nach.
    »Gut«, entschied sie. »Wird gemacht.«
    Beim Durchqueren des zweiten Gürtels von Bäumen und Sträuchern indes kam sie sehr viel langsamer voran, obwohl dieser Teil der Strecke kurz war.
    Die schlichte Wahrheit war, daß es nun überhaupt kein anderes Geräusch mehr gab als jenes Pochen, Klopfen und Rasseln – vielleicht sogar Klirren. Es schien Noelle, als schwelle der Lärm in einem Grad an, der in gar keinem Verhältnis zu der Entfernung stand, die sie zurücklegte, als sie sich ihm zu nähern schien. Noch immer war es wie in der Oper, wo manchmal von einem Augenblick zum anderen wahre Klangorkane aus einem anscheinend friedlichen und steten Fluß entstanden waren. Sie erkannte aber völlig klar, daß der augenblickliche Lärm nichts gegen die Kakophonie auf einer einigermaßen großen modernen Baustelle war – bis jetzt wenigstens nicht. Es gab immer etwas, für das

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