0002 - Das Dorf der versteinerten Monster
»Lassen Sie das Mädchen los!« Westbrooks Gesicht zuckte. Triebhafte Mordlust verzerrte seine Züge. Nicole röchelte erbärmlich. Bill zerrte wie wahnsinnig an Wesbrooks Arm. Doch irgendeine Macht verlieh Westbrook in diesen schrecklichen Minuten so ungeheure Kräfte, daß weder Fleming noch Zamorra wirkungsvoll dagegen ankämpfen konnten. Weiße Schaumflocken traten auf Westbrooks Lippen. Immer wieder entrang sich seiner heißen Kehle ein furchterregendes, grauenvolles Knurren. Nun schlug Zamorra mit seinen Fäusten und auch mit den Handkanten auf den Tobsüchtigen ein. Nicoles Abwehrbewegungen wurden unkontrolliert. Ihr Gesicht war knallrot angelaufen. Die Lippen, schimmerten erschreckend blau. Ihre weit aufgerissenen Augen drehten sich langsam nach oben. Das Ende war nahe. Da fiel Zamorras Blick auf eine schwere Bronzefigur. Sie stand auf der Kommode, stellte einen Ritter in stolzer Kampfhaltung dar. Zamorra packte die Figur und schmetterte sie dem Tobenden mit aller Kraft ins Genick. Jerry Westbrook brach ächzend zusammen. Bill Fleming kümmerte sich sofort um die ohnmächtige Nicole. Er hob sie hoch und trug sie zum Sofa. Dort legte er sie sanft ab und hastete aus dem Raum. Als er wiederkam, trug er zwei klatschnasse Handtücher. Eines für Westbrook. Eines für Nicole. Zamorra stellte die Bronzefigur keuchend an ihren Platz zurück. Dann fühlte er Westbrooks Puls. Es war unwahrscheinlich. Mit diesem Hieb hätte man einen Ochsen erschlagen können. Doch Jerry Westbrook lebte. Zamorra war froh, ihn nicht erschlagen zu haben. Westbrook hatte unter Zwang gehandelt. Die Puppe mußte ihn zu dieser Wahnsinnstat gezwungen haben. Diese verfluchte Puppe. Zamorra legte das nasse Handtuch auf Westbrooks Gesicht. Allmählich kehrte Farbe in Jerrys Wangen zurück. Der Professor hörte Nicole husten. Bill gab ihr zu trinken. Sie setzte sich auf dem Sofa auf, obwohl Fleming sie daran hindern wollte.
»Ich weiß nicht, Chef!« rief sie Zamorra kopfschüttelnd zu, während sie den schmerzenden Hals massierte. Ihre Stimme klang blechern, verklemmt. »Der Junge dürfte nicht zu Unrecht in der Klapsmühle gewesen sein.« Zamorra verteidigte den Ohnmächtigen.
»Der Junge kann nichts dafür, Nicole. Er war nicht bei Sinnen.«
»Das stimmt allerdings«, ächzte Nicole.
»Ich meine das anders.«
»Er ist verrückt!«
»Das ist er eben nicht!« erwiderte Zamorra schneidend. »Diese gottverfluchte Puppe hat ihn auf irgendeine Weise beeinflußt. Er mußte sich auf Sie stürzen. Diese Puppe hat ihn gezwungen, es zu tun. So wie Sie von dieser Puppe gezwungen wurden, sich vor den Kühltransporter zu werfen!«
»Ich habe mich nicht…«, wollte Nicole aufbegehren. Zamorra winkte mit einer knappen Geste ab. »Eine Puppe!« sagte Nicole ärgerlich. »Eine gewöhnliche, leblose Puppe. Was soll die schon tun können? Wie soll die einen Menschen zu etwas zwingen können?« Das Mädchen brauchte eine Weile, bis sie sich von dem erlittenen Schock erholte. Zwei Scotch halfen ihr dabei. Zamorra zerrte Jerry Westbrook hoch, setzte ihn auf einen Stuhl und schlug ihm mit der flachen Hand abwechselnd links und rechts ins Gesicht. Die Schläge klatschten. Westbrooks Kopf wackelte hin und her. Nach dem fünfzehnten Schlag öffnete er benommen die Augen. Zamorra stand gebeugt vor ihm.
»Was ist?« fragte Westbrook verwirrt. »Warum sehen Sie mich so seltsam an, Professor? Ich bin ohnmächtig gewesen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und? Stimmt mit mir irgend etwas nicht, Professor Zamorra? Ich flehe Sie an, Sie müssen es mir sagen.«
Zamorra kniff die Augen zusammen. »Sie haben versucht, meine Sekretärin zu erwürgen.« Westbrook starrte auf seine Hände. Panisches Entsetzen grub sich tief in sein Gesicht.
»Nein!« stöhnte er und warf den Kopf verzweifelt hin und her. »Nein! Das ist nicht wahr, Professor! Das darf nicht wahr sein! Sagen Sie, daß es nicht wahr ist! Bitte, Professor!« Nicole erhob sich. Unsicher begann sie zu laufen. Sie hatte Schluckbeschwerden und pochende Kopfschmerzen. Zamorra winkte sie zu sich. Er bat sie, dem Ungläubigen die Würgespuren zu zeigen. Sie neigte den Kopf, so daß Westbrook die Abdrücke seiner Daumen an ihrem Kehlkopf deutlich sehen konnte. Jerry schlug die Hände entsetzt vors Gesicht. »O Gott. Mein Gott!« ächzte er. »Verzeihen Sie - Miß Duval. Ich ich…«
Plötzlich hatte Nicole mit Jerry Mitleid. Sie legte ihm die Hand auf die zuckende Schulter. »Schon gut«, sagte sie mit ihrer rauhen Stimme.
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