0002 - Das Dorf der versteinerten Monster
Puppe. Sie stolperte in der Eile, verlor das Gleichgewicht und knallte auf den Tisch. Sie warf sich herum und starrte mit furchtgeweiteten Augen auf das sich nähernde Amulett. Das Gesicht der Puppe wurde wächsern. Sie stieß jämmerliche Laute aus, warf den Kopf verstört hin und her, riß den Mund weit auf und brüllte, so laut sie konnte. Immer näher kam das silberne Amulett. Die Puppe tobte vor Angst, raste, war halb verrückt. Sie streckte die Arme in verzweifelter Abwehr gegen den silbernen Feind aus, der stärker war als sie. Sie schwitzte, schrie, keuchte und stöhnte.
Zamorra kannte keine Gnade mit dem kleinen Ungeheuer. Er berührte das Teufelswesen mit seinem Amulett, drückte es kurz auf den lebenden Puppenkörper und nahm es gleich wieder fort. Die Puppe stieß einen quälenden Schrei aus und wand sich unter unsäglichen Qualen. Plötzlich begann sie zu brennen. Flammen tanzten auf ihrem strampelnden Körper. Sie schlug verzweifelt um sich, schrie, daß es den Umstehenden in den Ohren weh tat, kreischte, röchelte und wand sich wie ein getretener Wurm. Die Flammen bedeckten nun schon den gesamten Körper. Die Puppe warf sich entsetzt hin und her. Sie kämpfte verzweifelt gegen den Tod an, doch sie mußte diesen Kampf verlieren. Die Flammen fraßen sie richtiggehend auf. Ihre Haut wurde grau. Sie krümmte sich gurgelnd und röchelnd zusammen, stieß immer noch fürchterliche Schreie aus, die jedoch schwach und schwächer wurden. Bald war sie nur noch ein zuckendes Klümpchen. Eine zitternde graue Masse, die nichts Menschenähnliches mehr an sich hatte. Sie erstarrte. Die Flammen erstarben. Kein Schrei quälte sich mehr aus dem Satanswesen. Dunkelgraue Rauchschwaden stiegen hoch. Die Oberfläche des grauen Klumpens wurde brüchig, bekam Risse und fiel auseinander. Und dann wurde die ganze kleine Schreckgestalt vor den erstaunten Augen der Umstehenden zu Staub. Die Gefahr war gebannt! Die erste Runde in diesem schrecklichen Kampf gegen einen noch unbekannten Dämon ging an Professor Zamorra und sein Amulett. Trotz dieses Triumphes wagte jedoch niemand, erleichtert aufzuatmen. Man war davon überzeugt, daß der Schrecken weitergehen würde. Die Puppe war nur ein kleiner Teil vom großen Grauen gewesen, das über diesem Dorf der Verlorenen lastete.
***
Nach Jerry Westbrooks Worten wollte Gerald Rintels seinen verkrüppelten Bruder nach dessen Tod mehrmals gesehen haben. Zamorra fand es wichtig, dieser Sache nachzugehen. Er schlug deshalb vor, Max Rintels' Bruder sogleich aufzusuchen. Westbrook solle sie zu ihm führen. Jerry erklärte sich dazu selbstverständlich bereit, obwohl er sich jetzt lieber für eine Weile in sein Zimmer eingeschlossen hätte, um mit dem erlebten Schock fertig zu werden. Er sah jedoch ein, daß jede Stunde im Kampf gegen das Böse wichtig war. Deshalb setzte er sich ans Steuer seines Corsair und fuhr den Professor, Nicole Duval und Bill Fleming zu Gerald Rintels' Haus.
Es war ein für die Gegend typisches Gebäude mit weißen Mauern und einer kleinen Eingangstür am anderen Ende des Dorfes. Jerry Westbrook übernahm es, die Fremden vorzustellen und kurz zu erwähnen, weshalb Professor Zamorra da war. Gerald Rintels ließ die Besucher mit einer matten einladenden Handbewegung eintreten. In der Diele stand ein buntes Karussellpferd und im Wohnzimmer eine menschengroße Panoptikumpuppe. Daneben stand ein Korb mit Wachsblumen. Das Haus war nicht geräumig, besaß nur wenige Zimmer und einen kleinen Keller. Zwischen den beiden Fenstern im Wohnzimmer stand ein riesiger Vogel Strauß aus Holz. Weiß bemalt und mit rotem Schnabel. Gerald Rintels bat die Besucher, Platz zu nehmen.
Er setzte sich mit leidgeprüfter Miene zu ihnen, verschränkte die Finger vor dem Knie und schaute auf den Teppich, während er über seinen Bruder Max sprach. »Jedermann - mit wenigen Ausnahmen, zu denen auch Westbrook gehört - hat ihn verspottet. Sie haben ihn ausgelacht, weil er ein Krüppel war, weil er nicht aufrecht gehen konnte, weil er nicht so anzusehen war wie sie.«
»Westbrook hat uns erzählt, daß Sie Ihren Bruder nach seinem Tode mehrmals gesehen haben, Mr. Rintels«, sagte Zamorra. »Stimmt das?« Gerald Rintels nickte eifrig. Er schaute Zamorra aufgeregt an.
»Es glaubt mir ja niemand, Professor.«
»Ich glaube Ihnen…!«
»Ich habe mehreren Leuten erzählt, was ich sah. Sie sagten, ich sei mit den Nerven völlig runter, sei übergeschnappt und gehöre in eine Klinik. Aber ich bin
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