0002 - Die Totenkopf-Insel
der Mann stehen. Er hatte schwarzes, ziemlich kurz geschnittenes Haar, eine Boxernase und tückische, eng beieinanderliegende Augen. Sein Kinn zierte eine dunkelrote Narbe.
»Also«, sagte der Knabe, »was suchen Sie hier?«
»Rick, dieser Mann ist…«
Der Pilot wandte unwillig den Kopf. »Halt du dich daraus, Jos. Los, geh wieder an deine Arbeit, sonst gibt es Stoff.«
Der Gärtner hob die Schultern, grinste wissend und verzog sich dann.
John Sinclair griff nach seinen Zigaretten. Sofort ruckte die Mündung des Gewehres hoch.
Der Geisterjäger hob überrascht die Augenbrauen. »Sie haben hier wirklich einen netten Umgangston, das muß ich schon sagen.«
»Was wollen Sie?«
John klopfte sich ein Stäbchen aus der Packung und zündete es dann an. Genußvoll stieß er den Rauch aus. »Ich wollte eigentlich mit Mr. Proctor reden.«
»Der ist nicht da.«
»Dann sind Sie bestimmt für mich der richtige Gesprächspartner.«
»Glaube ich kaum.« Der Pilot bewegte beim Sprechen kaum die Lippen. »Am besten ist es, Sie verziehen sich jetzt wieder. Wenn nicht, bekommen Sie Ärger.«
»Oder Sie«, gab John zur Antwort.
Der Kerl lachte kalt. »Wollen Sie mir drohen?«
»Wollen Sie einen Polizisten über den Haufen schießen?«
Der Pilot krauste die Stirn. »Wieso Polizist?«
»Scotland Yard!« Zum zweitenmal innerhalb von fünf Minuten präsentierte John seinen Ausweis. Ihm war auch nicht entgangen, daß der Pilot bei dem Wort Polizei zusammengezuckt war.
»Und?« fragte er betont forsch, »was wollen Sie von mir?« Er ließ das Gewehr wieder sinken.
»Ich will zu Mr. Proctor!«
»Er ist nicht da!«
John lächelte. »Dann führen Sie mich hin, Mister… Wie ist übrigens Ihr Name?«
»Rick Terry!«
»All right, Mr. Terry. Sie werden mich zu Mr. Proctor bringen!«
Terry schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich selbst nicht weiß, wo Mr. Proctor steckt.«
John atmete tief ein. Dann sagte er: »Ich bin von Natur aus ein friedlicher Mensch. Ich kann nur eins nicht ausstehen. Lügen. Und daß Sie lügen, ist offensichtlich. Ich komme schließlich nicht uninformiert zu Ihnen. Ich weiß, daß sich Mr. Proctor eine Insel gekauft hat, und wenn ich Sie in Ihrer Pilotenkleidung vor mir sehe, dann ist mir auch klar, daß Sie zu Mr. Proctor Verbindung haben. Wahrscheinlich per Hubschrauber. Außerdem laufen Sie wahrscheinlich nicht den lieben langen Tag in Ihrer Kluft herum, ergo haben Sie etwas vor. Sicherlich einen Flug zu Proctor Island.« John lächelte kalt. »Wenn meine Vermutungen falsch sein sollten, dann berichtigen Sie mich ruhig.«
Rick Terry war bei Johns Worten blaß geworden. »Nein, Sie liegen nicht falsch, aber das wird Ihnen auch nichts nutzen, denn jetzt nehmen Sie erst mal die Pfoten hoch!«
Blitzschnell richtete der Pilot die Mündung der Waffe auf den Oberinspektor. Ein gefährliches Leuchten lag plötzlich in seinen Augen. John schalt sich einen Narren, daß er den Pilot nicht gezwungen hatte, die Waffe fallen zu lassen. Er hatte ihn als etwas zu harmlos eingestuft. Das erwies sich nun als Fehler.
»Wollen Sie einen Polizisten umlegen?« fragte der Geisterjäger und hob die Arme in Schulterhöhe.
»Wenn es sich nicht vermeiden läßt – ja. Und in Ihrem Fall läßt es sich nun mal nicht vermeiden. Los, umdrehen!«
John Sinclair gehorchte.
Er sah noch aus den Augenwinkeln, daß Rick Terry einen ausreichenden Abstand hielt. Er war ein Profi. Es war dem Geisterjäger unmöglich, ihn anzuspringen, ohne sich eine Kugel einzufangen.
John preßte die Lippen aufeinander. Rick Terry machte wirklich den Eindruck, als würde es ihn nicht stören, einen Polizeibeamten ins Jenseits zu befördern.
Es war eine groteske Situation. Was Geister und Dämonen nicht geschafft hatten, würde dieser Pilot mit einer einzigen Kugel erledigen…
***
Die Gesichter waren bleich. Das Licht an der Decke hatte einen grünlichen Schimmer und ließ die Haut der Menschen aussehen wie die von Toten, die schon einige Zeit im Grab gelegen hatten.
Die Höhle lag tief unter der Erde.
Sie war verhältnismäßig komfortabel eingerichtet. Es gab gepolsterte Sitzgelegenheiten, mehrere Betten und Tische. Auf dem Boden lagen Teppiche. Nur die rohen Felswände störten den Gesamteindruck.
Mit der neuen Gruppe befanden sich insgesamt zwölf Personen in dem unterirdischen Gewölbe. Man konnte es durch eine Eisentreppe erreichen, die vom Bunker aus in die unter dem Meeresspiegel liegende
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