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0004 - Götterdämmerung

Titel: 0004 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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vor genau drei Minuten Alarm gegeben." Er sah auf die Uhr. „Um genau zu sein - vor knapp vier Minuten."
    Myers sah ebenfalls auf die Uhr. „Vor vier Minuten bediente ich noch einen anderen Kunden und ahnte nichts von einem Überfall. Marshall hatte bereits Pause gemacht."
    „So?" machte der Direktor und warf seinem zweiten Kassierer einen vorwurfsvollen Blick zu. „Morgens kommen Sie zu spät, dafür beginnen Sie früher mit der Pause. Das habe ich gern."
    „Ich auch", nickte John Marshall seelenruhig. „Deshalb habe ich ja die Stelle bei Ihnen angenommen." Über der linken Augenbraue des Direktors entstand eine Falte. Myers grinste.
    Der Inspektor gab seinem Gefangenen einen Stoß in den Rücken. „Spazieren Sie los. Wir werden uns noch eingehender unterhalten." Er sah den Direktor an. „Seien Sie froh, so entschlossene Leute zu beschäftigen. Sie hätten sehr leicht Ihr Geld verlieren können. Wenn das Verhör beendet ist, benötige ich noch Ihre Aussage, Mr. - eh - Myers, wenn ich nicht irre."
    Er marschierte an der Spitze seiner Armee aus der Bank. Zehn Sekunden später rollte der geschlossene Wagen davon.
    Marshall trank seine Milch aus. „Was sagten Sie soeben?" fragte der Direktor und betrachtete angewidert die geleerte Milchflasche. Er schien sich ebenfalls nicht für dieses Getränk zu begeistern.
    „Ich betonte, daß ich gern bei Ihnen beschäftigt bin."
    „Aham - gut. Myers, ich möchte Ihnen meine Anerkennung für Ihr schnelles Handeln aussprechen. Wenn Sie dem Burschen nicht so überraschend, die Waffe abgenommen hätten, und wenn Sie nicht die Alarmanlage betätigt..."
    „Ich habe keinen Alarm gegeben", sagte Myers. „Ich sah nur die Polizei mit dem Wagen halten und über die Straße gelaufen kommen. Da erst konnte ich handeln. Wenn jemand Alarm gab, kann es nur Marshall gewesen sein. Aber - so schnell konnte auch wiederum die Polizei nicht da sein. Als der Fremde die Waffe zog, vergingen keine fünf Sekunden, bis die Polizei eintraf. Mir ist das unerklärlich."
    Der Direktor musterte den zweiten Schalterbeamten mit strengem Blick.
    „Mister Marshall?" fragte er streng. „Haben Sie die Alarmanlage betätigt?"
    „Selbstverständlich, Herr Direktor."
    „Als der Gangster seine Waffe auf Myers richtete?"
    „Nein, vorher."
    „Vorher?"
    Das Gesicht des Direktors war ein einziges Fragezeichen. „Sie konnten doch vorher gar nicht wissen, was der Bursche wollte. Oder können Sie Gedanken lesen?" John Marshall nickte gelassen. „Ich muß wohl, denn ich wußte genau, was er plante. Er stand am Schalter und wartete darauf, an die Reihe zu kommen. Da wußte ich plötzlich, daß er in der rechten Hand eine Pistole hielt, um Myers zu bedrohen.
    Lieber Himmel, was sollte ich anders tun, als auf den Knopf zu treten. Dafür haben wir ihn ja schließlich.“
    „Merkwürdig, wirklich sehr merkwürdig." Der Direktor kratzte sich an einer Stelle des Schädels, wo er noch einige Haare wußte. „Sie müssen die gedanklichen Ausstrahlungen dieses Menschen aufgefangen haben. Unglaublich! Wenn nicht die Zeitdifferenz es beweisen würde, ich könnte Ihnen kein Wort glauben. Haben Sie das schon einmal gehabt?"
    „Was meinen Sie?"
    „Nun, dieses Auffangen Fremder Gedanken kann doch nicht so plötzlich da sein." Er räusperte sich. „Wissen Sie etwa, was ich jetzt gerade denke?"
    John runzelte die Stirn. Wieder schien er angestrengt nachzudenken, dann leuchtete es plötzlich in seinem Gesicht auf.
    „Oh. Herr Direktor, das wäre aber fein."
    „Ha?" machte der Gentleman. „Was wäre fein?"
    „Die Belohnung für Myers und mich. Nicht wahr, Sie dachten doch soeben daran, uns eine Prämie in Form von zweihundert Dollar auszuschreiben?"
    Der Direktor starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. Dann trat so etwas wie Angst in seine Augen. Abwehrend streckte er beide Hände gegen Marshall aus. „Das ist ja unheimlich! Ein Telepath! Sie sind ein Telepath, Mr. Marshall! Ich habe wahrhaftig darüber nachgedacht, Ihnen eine solche Belohnung zukommen zu lassen. Mein Gott, wie können Sie davon wissen?"
    John Marshall lächelte und stellte die Milchflasche unter den Tisch. Er wirkte jünger als 26 Jahre, besonders wenn er lächelte.
    „Ich weiß es nicht. In der Schule habe ich schon immer alles besser als meine Mitschüler gewußt, weil ich die Antworten kannte. Der Lehrer muß an sie gedacht haben. Aber erst heute kommt mir zu Bewußtsein, daß es mehr als nur Ahnungen sein könnten."
    „Und ob!"

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