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0004 - Götterdämmerung

Titel: 0004 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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murmelte der Direktor, ging zu Myers und nahm ihm die Pistole aus der Hand. „Sie machen sich noch unglücklich, Mann. Wenn das Ding nun losgeht?"
    Er schob die Waffe in seine Tasche und schien sich erst jetzt wieder an John zu erinnern. „Sie müssen sich untersuchen lassen, Mr. Marshall. Sie sind ein Phänomen. Nicht zu fassen! Wenn ich nicht selbst dabei gewesen wäre, ich würde es nicht glauben."
    Natürlich glaubten die anderen es auch nicht. Besonders nicht die Zeitungen. Zwar wurden großartige Artikel über den mißglückten Überfall geschrieben und Überschriften wie „Gedankenleser entlarvt Bankräuber" waren keine Seltenheit, aber niemand nahm die Geschichte für bare Münze. Lediglich Jules Arnold und der Boß machten sich einige Gedanken. Viel anfangen konnten sie damit jedoch nicht.
    An diesem Abend ging John Marshall nicht so bald ins Bett wie gewöhnlich. Er verschloß die Tür seines kleinen Junggesellenappartements und bereitete sich in der winzigen Küche einen Schnellimbiß. Dann ließ er sich mit der halben Flasche Brandy, die er im Kühlschrank auf trieb, im Wohnzimmer nieder, das mit einigen Handgriffen in ein Schlafgemach verwandelt werden konnte. Noch einmal zogen die Ereignisse des Tages an ihm vorüber.
    Fred Hangler - das hatte er im Abendblatt erfahren - war ein berüchtigter Gangster. Der Bursche war ihm zuerst nicht aufgefallen, als er den Schalterraum betreten hatte. John war mit seinen Butterbroten beschäftigt gewesen. Und dann war plötzlich etwas in seine Gedanken gekrochen.
     ... muß ich warten, bis die drei vor mir abgefertigt sind... es könnte sein, daß sie Geld einzahlen ... mit dem Kerl werde ich fertig ... Pistole vorhalten... der Boß steht draußen... Überfall...
    Obwohl John es nicht verstand, hatte er blitzschnell reagiert. Vier Kunden waren anwesend. Der zuletzt Gekommene mußte es sein, das war logisch verdammt, der hebt auch noch ab ...
    John lief ein kalter Schauder über den Rücken, als er den wütenden Gedanken des vierten Mannes so deutlich spürte. An der Milchflasche vorbei beobachtete er ihn. Rechte Hand in der Rocktasche - die Pistole, natürlich. Es stimmte. Kein Zweifel. John hatte den Alarm ausgelöst.
     ... dafür zahlt dieser eine Menge ein! Noch wenige Sekunden, dann ist es soweit. Nur ruhig bleiben ...
    John hatte einmal ein Mädchen gekannt, und es auch geliebt. Es war oft vorgekommen, daß er etwas sagte, was sie ihm gerade mitteilen wollte. Sie hatten es für eine seelische Übereinstimmung gehalten.
    ... wenn nur niemand mehr kommt ... entsichert ... gleich ...
    Vielleicht war es tatsächlich so etwas wie Gedankenübertragung, überlegte John. Wenn ein anderer sehr intensiv dachte, war es möglich, daß die feinen Energiewellen aus dem Gehirn ein wenig stärker waren als gewöhnlich - und aufgefangen werden konnten. Er mußte eine besondere Gabe dafür haben, aber niemals hatte er es so deutlich gespürt wie heute. Er war davon überzeugt, jeden Gedanken des Gangsters aufgefangen haben zu können, wenn er selbst nicht so aufgeregt gewesen wäre. Aber der Direktor zum Beispiel. Als der ihn aufforderte, eine Probe seines Könnens abzulegen, war es ihm gelungen.
    ... und jetzt ... die Waffe ... ja ... jetzt …
    Und dann war auch die Polizei bereits da. John seufzte. Das Verhör am Nachmittag war schnell und kurz verlaufen. Sie hatten seine Aussagen protokolliert, er hatte unterschrieben, und damit war der Fall erledigt gewesen. Gedankenlesen - pah! Der Inspektor hatte eine häßliche Bemerkung gemacht. Vielleicht käme es von der Milch, hatte er gemeint. Gehirnnahrung, oder so ähnlich. Dann aber hatte er sich bedankt und von außerordentlicher Reaktionsfähigkeit gesprochen. Fred Hangler aber saß in einer Zelle und wartete auf seine Aburteilung.
    „Vielleicht ist es eine Fähigkeit, die sich vervollkommnen läßt", überlegte John Marshall laut. „Alles Können läßt sich verbessern, wenn man sich Mühe gibt. Ich habe bisher zu wenig darauf geachtet und es für Zufall gehalten - vielleicht tun das sogar viele Menschen, die eine ähnliche Veranlagung besitzen. Man kennt die Telepathie aus Romanen und Experimentierberichten einiger Wissenschaftler, aber niemand hält sie wirklich für möglich. Nun, ich habe heute selbst erlebt, wie möglich sie ist. Aber - vielleicht sollte ich nach weiteren Beweisen suchen. Und - wenn es wirklich stimmt ..."
    Vor Johns Augen entstand ein utopisch anmutendes Bild. Er sah sich als achtes Weltwunder, um

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