0004 - Götterdämmerung
den Inspektor. Er riß den Telefonhörer von der Gabel und brüllte einige Befehle. Dann schnallte er sich den Gürtel fester, lockerte die Waffe in der daran baumelnden Tasche und stürzte aus dem Büro. Auf dem Gang stieß er mit den alarmierten Leuten zusammen. „Überfall auf die Zentralbank! Beeilung!"
Von Mittagsruhe war nicht mehr viel zu bemerken. Sekunden später bereits rutschte der mit fünf bewaffneten Polizisten besetzte Wagen auf zwei Rädern aus dem Hof, glitt mit heulenden Sirenen auf die Straße und raste auf den Tatort zu.
Inzwischen hatte John Marshall den Fuß von dem verhängnisvollen Knopf genommen. Er wußte, daß es höchstens noch einige Minuten dauern konnte, wenn die Polizei nicht schlief, was bei der Hitze und der friedlichen Stadt immerhin möglich war. Er ließ den Kunden nicht aus den Augen, der nun geduldig wartete, bis der Mann, der das viele Geld eingezahlt hatte, den Raum verließ. Dann trat er an den Schalter.
Der Inspektor war schlau genug, die Sirene abzustellen. Ohne Aufsehen zu erregen, gelangte er so bis dicht vor das Bankgebäude und hielt auf der gegenüberliegenden Seite. Als die uniformierten Männer heraussprangen, setzte sich die schwarze Limousine in Bewegung, die vor dem Portal der Bank gehalten hatte. Daran war an sich nichts auffällig, und niemand achtete darauf. Denn wäre sie an dem Überfall beteiligt gewesen, so schloß der Inspektor blitzschnell, hätte sie nicht so lange gewartet, bis die Polizei eintraf.
Fred Hangler legte die Aktentasche vor sich auf den Schaltertisch und sagte mit ruhiger Stimme: „Junger Mann, ich möchte das ganze Geld abheben, das Sie drüben im Tresor liegen haben. Hier ist meine Vollmacht."
Er zog die Pistole und richtete sie auf den Beamten. Mit einem Auge schielte er auf John Marshall, der wieder an seinem Butterbrot kaute und der Dinge harrte, die da kommen sollten. „Lassen Sie die Alarmanlage in Ruhe", warnte der Gangster. „Ehe die Polizei hier ist, sind Sie tot."
„Das würde ich nicht behaupten", sagte John Marshall kauend und nahm einen Schluck Milch. „Wenn Sie sich umdrehen, können Sie sehen, daß sie bereits da ist."
Hangler starrte ihn fassungslos an. Der Beamte, den er bedroht hatte, nahm ihm mit einem schnellen Griff die Waffe ab, was ihm auch anstandslos gelang. Hangler drehte sich um. Er sah die fünf Polizisten mit schnellen Schritten über die Straße eilen und das Gebäude betreten. Die Fenster waren groß genug, alles beobachten zu können.
Der Inspektor stürmte allen anderen voran. „Was ist mit dem Überfall", fragte er verdutzt und blieb stehen. Es bot sich ihm wahrhaftig ein merkwürdiges Bild. Hinter dem einen Schalter saß jemand und aß Butterbrote. Dazu trank er Milch, die der Inspektor auf den Tod nicht ausstehen konnte. Am anderen Schalter stand ein harmlos wirkender Mann, der von dem Beamten mit der Waffe bedroht wurde. Im Hintergrund trat gerade ein seriös gekleideter Gentleman durch eine Tür, den Hut in der Hand, fertig zur Mittagspause. Er blieb ebenfalls wie erstarrt stehen.
„Was ist denn hier los, Myers?" wollte er wissen.
Der Beamte mit der Pistole ließ Hangler nicht aus den Augen. „So ein Zufall!" hauchte er. „Lieber Himmel, so ein Zufall!"
„Was für ein Zufall?" fragte der Inspektor. Der Gentleman im Hintergrund, Direktor der Bank, kam langsam näher. „Er wollte einen Überfall verüben", erklärte Myers.
„Mister Marshall versuchte es mit einem Bluff und sagte, die Polizei käme. Der Bursche hier wurde nervös, und ich konnte ihm die Waffe abnehmen. Ja, und dann kam die Polizei wirklich. Das begreife ich nicht."
„Wir wurden alarmiert", fauchte der Inspektor. „Sie wissen wohl schon nicht mehr, wozu der Knopf neben Ihren Füßen ist."
„Ich habe keinen Alarm gegeben", versicherte Myers. „Und wenn, dann wäre es wohl auch zu spät gewesen, nicht wahr. Der Kerl hier hatte ja kaum seine Wünsche vorgebracht, da erschienen Sie bereits."
„Wir haben eben eine schnelle Polizei", strahlte der Direktor, der allmählich den Zusammenhang zu begreifen glaubte.
Hangler hatte sich inzwischen gefaßt.
„Sie können mir überhaupt keinen Überfall nachweisen", sagte er patzig. „Die Waffe trage ich immer bei mir. Ich wollte Geld abheben."
„Ja", nickte Myers. „Mit der Pistole." „Das wird sich alles aufklären", mischte sich der Inspektor ein und gab seinen Leuten einen Wink.
Handschellen schnappten um die Gelenke des Gangsters. „Jedenfalls wurde bei uns
Weitere Kostenlose Bücher