0005 - Der Scharfrichter
tabakfarbenen Hosenanzug, der ihre Figur vorteilhaft modellierte.
Sie bemerkte es und strich sich lächelnd eine Locke ihres goldbraun schimmernden Haarschopfes aus der Stirn.
»Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche, Bill«, empfahl sie schelmisch.
»Keine Sorge«, lachte er, »in der Beziehung habe ich keine Schwierigkeiten. Aber vorerst dürfe das Wesentliche dort oben liegen!« Er deutete zur Burg hinauf, die im strahlenden Sonnenlicht dieses Morgens nichts Düsteres und Unheimliches hatte.
Schon von weitem sahen Nicole und Bill die Fahrzeuge, die auf dem Besucherparkplatz des Museums standen. Fünf Limousinen und ein unförmiger dunkelgrüner Kastenwagen. Ein uniformierter Polizeibeamter zog einen schweren Holzkoffer aus dem Kastenwagen, schloß die hinteren Türen und schleppte den Koffer hinauf zur Burg.
Nicole stieß ihren Begleiter an.
»Da! Der blaue Wagen! Ist das nicht…?«
»… ein Morris Marina«, nickte Bill Fleming, »unser Scharfrichtersproß ist also zur Stelle. Die Schandtaten seines Vorfahren scheinen ihn mächtig zu interessieren.«
Nicole bedachte ihn mit einem Vorwurfsvollen Seitenblick.
»Bill! Hören Sie endlich auf, darüber zu spotten!«
»Schon gut«, entgegnete Fleming, »ich sehe, Zamorras ständiger Einfluß macht Sie allmählich aufnahmebereit für die Spukgeschichten…«
»Das ist nicht wahr!« protestierte Nicole.
Auf dem Weg zum Burgtor setzten sie ihren scherzhaften Disput fort, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit von Llangurig Castle gefesselt.
Das mächtige Bohlentor stand weit offen, gab den Blick auf den geräumigen Innenhof frei. Ebenfalls geöffnet war die Eingangstür des Haupthauses. Eine Gruppe von Männern stand vor dem Säulenportal. Zwei Uniformierte, drei Zivilgekleidete.
Als Nicole und Bill näher kamen, brachen die Männer ihr Gespräch ab und sahen ihnen interessiert entgegen.
»Ich fürchte, wir werden wenig Glück haben«, murmelte Bill Fleming. Dann trat er gemeinsam mit Nicole auf die Beamten zu.
»Sie wünschen?« erkundigte sich einer der Zivilisten, der seiner Haltung nach offenbar der Ranghöchste der Beamten war.
Bill und Nicole nannten ihre Namen.
»Wir hatten vor, uns das Museum anzusehen«, fügte Bill hinzu, »aber es scheint so, als ob wir heute keine Gelegenheit dazu bekommen, nicht wahr?«
»Ich bin Superintendent Marlowe von Scotland Yard«, stellte sich der Beamte vor, während die anderen respektvoll im Hintergrund blieben. »Leider haben Sie mit Ihrer Vermutung recht, Sir. Wir müssen das Museum heute für jegliche Besucher sperren. Die Vorfälle der vergangenen Nacht…«
»Ich hörte davon«, nickte Bill Fleming, »gerade deshalb wollten meine Kollegin und ich…«
»Weshalb interessieren Sie sich dafür?« fiel ihm der Superintendent ins Wort. Seine Stimme wurde um einen Grad schärfer, sein Blick wachsamer.
»Ich bin Historiker«, erklärte Fleming offen, »ich habe mich schon drüben in New York mit der Geschichte von Llangurig Castle befaßt. Nach dem, was hier geschehen ist, möchte ich nun an Ort und Stelle meine Forschungen weiterbetreiben. Das ist alles.«
Marlowes Miene glättete sich.
»Sie sind nicht der einzige, der aus diesem Grund nach Llangurig gekommen ist, Sir. Aber es tut mir leid. Ich kann keine Ausnahme machen. Wenn die Arbeit des Erkennungsdienstes abgeschlossen ist, wird das Museum wieder geöffnet. Vielleicht schon heute nachmittag…«
»Natürlich«, antwortete Bill Fleming, »wir haben volles Verständnis für Ihre Maßnahmen, Mr. Marlowe. Bitte halten Sie uns nicht für aufdringlich.«
Der Superintendent lächelte.
Bill und Nicole wollten sich zum Gehen wenden.
Einer der Zivilgekleideten löste sich aus der Gruppe der Männer, kam auf die beiden zu.
»Warten Sie!«
Bill und Nicole blieben überrascht stehen. Der Mann war groß, breitschultrig und von athletischer Statur. Das dunkelblonde Haar fiel ihm bis auf den Jackettkragen.
»Ja?« sagte Nicole.
»Ich denke, wir sind Leidensgenossen«, erklärte der Mann und streckte die Rechte aus, »auch mich lassen die Gentlemen nicht ins Museum. Mein Name ist Kenneth Jones. Ich betreibe Familienforschung.«
»Ah!« rief Bill Fleming und erwiderte den Gruß des anderen, nachdem Jones Nicole die Hand gereicht hatte. »Nach Ihrem Namen zu schließen, sind Sie…«
»Richtig«, erklärte Jones lächelnd, bevor Bill weiterreden konnte, »Gordon Basil Jones war einer meiner Vorfahren. Da Sie die Geschichte
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