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0005 - Der Scharfrichter

0005 - Der Scharfrichter

Titel: 0005 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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Luft war staubtrocken, ohne jede Feuchtigkeit. Eine zusätzliche Grabeskälte legte sich beklemmend auf die Atemwege.
    Nicole hielt Bills Hand fester. Am Gegendruck seiner Finger spürte sie, daß auch er von einer inneren Anspannung erfüllt wurde.
    Noch war nicht zu erkennen, was der Raum vor ihnen barg.
    Sie hörten Jones' Schritte, wie er zielstrebig auf etwas zusteuerte. Dann erfaßte der Lichtkegel der Taschenlampe eine Pechfackel, die in einer gußeisernen Wandhalterung steckte. Jones setzte die Fackel mit seinem Feuerzeug in Brand. Er wiederholte es bei einer zweiten Fackel, die sich nur wenige Meter entfernt an der gleichen Wand befand.
    Zuckendes Licht erfüllte jetzt den Raum, warf tanzende Schatten über Steinmauern und…
    Sarkophage!
    Nicole und Bill hielten den Atem an. Insgesamt fünf steinerne Särge waren es, die hier in der Gruft auf hüfthohen Podesten aus Quadersteinen ruhten. Die schweren Sargdeckel waren kunstvoll verziert. Bildhauer mußten jahrelang daran gearbeitet haben.
    Kenneth Jones stand zwischen den beiden vorderen Sarkophagen. Die drei übrigen befanden sich dahinter, dichter nebeneinander. Jones blickte zu seinen Begleitern hinüber.
    »Hier ruhen Graf Henry V. und seine Ehefrau Muriel«, erklärte er feierlich, »dort hinten die drei armen Söhne. Sie litten an schweren Krankheiten. Keinem von ihnen war es vergönnt, ihre Eltern zu überleben.«
    Bill Fleming nickte verstehend.
    »Sie müssen uns mehr darüber erzählen«, sagte er gepreßt, »später…«
    »Sie sollen alles erfahren«, entgegnete Jones lächelnd, »wir sind ja sozusagen Kollegen, nicht wahr?«
    Bill Fleming nickte erneut.
    Nicole konnte ihren Blick nur schwer von den Sarkophagen losreißen. Etwas unheimlich Fesselndes ging von den Gräbern der Grafenfamilie aus. Sie konnte sich nicht erklären, was es war.
    »Eine Frage…«, wandte sie sich behutsam an Kenneth Jones. »Henry V. war der letzte in der Reihe der Grafen von Llangurig, wenn ich nicht irre. Wo liegen seine Vorväter begraben?«
    »Nicht hier«, antwortete Jones rasch, »alle vorherigen Grafen hatten ihre Gräber auf einem Friedhof am Stadtrand. Nur Henry V. zog es vor, sich eine Familiengruft in der Tiefe unter seiner Burg zu schaffen. Er wollte nicht von hier fort, verstehen Sie?«
    »Ja«, hauchte Nicole, obwohl die Erklärung alles andere als zufriedenstellend war. Da war wieder der seltsame Unterton in der Stimme des Mannes, der sie frösteln ließ.
    Auf einen Wink von Kenneth Jones setzten sie ihren Weg fort. An der gegenüberliegenden Stelle der Gruft führte eine zweite Treppe mit ebenfalls zehn Stufen wieder empor. Sie erreichten einen breiteren Gang, in dem sich gleichfalls Pechfackeln befanden. Jones zündete sie mit dem Feuerzeug an. Wieder war die feuchte Kälte zu spüren.
    Zu beiden Seiten des Ganges gab es in Abständen von knapp drei Metern schmale Eichentüren, die mit jeweils zwei Riegeln versperrt waren.
    »Die Verliese«, erklärte Jones nun, »nichts Besonderes, um ehrlich zu sein. Kommen Sie! Dort vorn gibt es etwas, das Sie mehr fesseln wird!«
    Der Gang endete vor einer größeren Tür, die unverschlossen war. Die rostigen Angeln kreischten durchdringend, als Jones öffnete. Auch drinnen gab es Pechfackeln, die ihr blakendes, zuckendes Licht verstreuten, nachdem er sie in Brand gesetzt hatte.
    Bill Fleming zog Nicole voran.
    »Kommen Sie!« raunte er. »Das ist die Folterkammer.«
    Nicole hielt den Atem an, als sie mit Bill durch den niedrigen Türbogen trat. Die grauenvollen Marterinstrumente waren noch so unversehrt und geordnet, als seien sie erst gestern zuletzt benutzt worden.
    »Die Grafen verfügten über alle Geräte, wie sie damals in ganz Europa üblich waren«, begann Kenneth Jones mit seinen Erläuterungen, »hier sehen Sie die Eiserne Jungfrau, und hier…«
    Nicole stieß einen erschrockenen Laut hervor. Sie packte Bills Unterarm mit der noch freien Hand.
    »Bill! Sehen Sie doch!« Ihr Blick war auf den. Steinboden rechts von der Tür gerichtet.
    Bill Fleming sah sofort, was sie meinte.
    »Das gibt es nicht!« murmelte er verblüfft. »Zamorras Jackett! Wie, zum Teufel…?«
    Er redete nicht weiter, denn er bemerkte die plötzliche Veränderung, die mit Kenneth Jones vor sich ging. Der breitschultrige Mann ging merkwürdig starr auf die Jacke zu, hob sie auf und drehte sich zu Bill und Nicole um.
    »Sie kennen den Mann, dem dieses Jackett gehört?«
    »Allerdings«, knurrte Fleming, »er ist mein bester Freund. Ich

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