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0005 - Der Scharfrichter

0005 - Der Scharfrichter

Titel: 0005 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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selbst, weil sie vor Bill Fleming nicht zugeben wollte, daß sie doch leise Bedenken hatte.
    Kenneth Jones schien geradezu begeistert, seinen neuen Bekannten die Geheimnisse von Llangurig Castle zeigen zu können. Er übernahm die Führung und ging mit zügigen Schritten den Weg zum Parkplatz hinunter. An seinem blauen Wagen vorbei, steuerte er auf das Gebüsch zu, das den Parkplatz zum Fluß hin begrenzte.
    Bill und Nicole folgten ihm.
    Die Uferböschung war ebenfalls von vereinzelten Büschen überdeckt.
    Jones spähte nach allen Seiten. Doch es war keine Menschenseele zu sehen, auch auf der anderen Seite des Flusses nicht.
    »Kommen Sie rasch!« forderte er. »Bevor uns jemand entdeckt!«
    Er trat auf einen der Büsche zu und schlug die Zweige beiseite. Staunend sahen Bill und Nicole das gemauerte Oval, das dahinter in der schrägen Uferböschung zu erkennen war. Es gab keine Tür.
    Dunkel gähnte ihnen der Geheimgang entgegen. Ein modriger, feuchtkalter Geruch strömte heraus.
    Kenneth Jones zog eine Taschenlampe aus der Jackentasche.
    »Ich gehe voraus«, entschied er und war im nächsten Moment bereits in der pechschwarzen Finsternis untergetaucht.
    Der Lichtkegel der kleinen Taschenlampe glitt über feuchte Quadersteine, an denen dunkelgrünes Moos glitzerte, Nicole ergriff unwillkürlich Bill Flemings Hand. Er quittierte es mit einem Lächeln, doch Nicoles Anlehnungsbedürfnis war ihm keineswegs unangenehm.
    »Keine Sorge!« flüsterte er spöttisch. »Ich werde Sie vor allen guten und bösen Geistern beschützen, Nicole!«
    Sie antwortete nicht. Irgend etwas schnürte ihre Kehle zu. Trotzdem brachte sie es auch jetzt noch nicht fertig, einfach davonzulaufen. Nicole wollte nicht wahrhaben, daß es ein innerer Zwang war, der sie dazu veranlaßte, Bill in das unterirdische Gewölbe zu folgen.
    Kenneth Jones wartete an der ersten Biegung des Gangs, die etwa zehn Meter vom Eingang entfernt war.
    »Früher hatten sie ihre Schwierigkeiten mit diesem Fluchtweg«, teilte er mit. »Bei Hochwasser war dieser Gang überflutet und praktisch wertlos. Die Grafen haben die Regulierung des Flusses nicht mehr erlebt. Seit Anfang dieses Jahrhunderts gibt es hier kein Hochwasser mehr.«
    Nicole sah sich um. Die Öffnung des Gangs war nur noch als heller Lichtpunkt zu erkennen. Dann, als Bill dem Nachfahren des Scharfrichters folgte und sie mit sich zog, erschien es Nicole wie ein endgültiger Abschied von der Außenwelt. Bis auf den Lichtkegel der Taschenlampe war nichts als feuchte, modrige Dunkelheit um sie herum.
    Nicole spürte, wie ihr ein kalter Schauer den Rücken herauflief. Einzig beruhigend war die Tatsache, daß Bill ihre Hand hielt.
    Kenneth Jones verzichtete jetzt auf weitere Erklärungen. Immer tiefer drangen sie unter seiner Führung in den Gang vor. Nach etwa zehn Minuten erreichten sie die erste Gabelung. Drei neue Gänge zweigten sternförmig ab. Jones wählte den mittleren. Es dauerte jetzt nur wenige Minuten, bis sie eine kahle, finstere Halle von etwa zwanzig Quadratmetern Größe betraten. Von dieser Halle führten vier Gänge exakt in die einzelnen Himmelsrichtungen.
    »Wir sind von Westen gekommen«, erklärte Jones halblaut, »jetzt befinden wir uns direkt unter der Burg. Die Polizisten könnten uns auf den Kopf spucken, wenn es nicht das Erdreich dazwischen gäbe.«
    Er lachte trocken. Es klang schaurig hohl in dem Gewölbe.
    »Und weiter?« erkundigte sich Bill Fleming. Seine Stimme hallte dumpf von den feuchten Wänden zurück.
    »Es ist nicht mehr weit bis zur Familiengruft«, entgegnete Jones, »wir erreichen sie durch den östlichen Gang.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, übernahm er wieder die Führung. Bill Fleming folgte ihm sofort. Nicole hatte jetzt keine andere Wahl mehr. Umkehren konnte sie nicht. Allein durch die finsteren Gänge zurückzuirren, erschien ihr so grauenvoll, daß sie es vorzog, in der Nähe der Männer zu bleiben.
    Sie schalt sich selbst eine Närrin. Angstgefühle dieser Art hatte sie sonst nie gekannt. Sie wußte selbst nicht, woher sie plötzlich solche Empfindungen nahm.
    Der östliche Gang führte ungefähr zwanzig Meter weit geradeaus, um dann vor einer Treppe zu enden, die steil nach unten ging.
    »Es sind zehn Stufen«, erklärte Kenneth Jones, »seien Sie bitte vorsichtig!« Er hielt die Taschenlampe so, damit Nicole und Bill einigermaßen sicher die schmalen ausgetretenen Steinstufen erkennen konnten.
    Am Fuß der Treppe änderte sich plötzlich der Geruch. Die

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