0006 - Ich stürmte das graue Haus
Left«, sagte ich.
Phils Gesicht wurde ganz lang. »Woher weißt du das schon? Sag mir, wer mir die Überraschung vermasselt hat. Ich prügele ihn durch.«
»Niemand«, sagte ich. »Ich bin nur auf einem anderen Weg zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Darüber sprechen wir noch. Was ist mit dem erschossenen Loccatelli?«
»Noch kein Ergebnis.«
»Und Bedeler, der die Fahrtroute von Gradness nachprüfen sollte?«
»Hat bisher keine Leute gefunden, die den Lincoln vorher in der 63. Straße stehen gesehen haben.«
»Okay, konzentrieren wir uns auf Brandy. Wenn wir ihn fassen, haben wir das wichtigste Glied der Bande, vielleicht sogar den Kopf.«
***
Die Suche nach George Left, genannt Brandy, wurde mit allen Fahndungsmöglichkeiten des gesamten Polizeiapparates der Vereinigten Staaten aufgenommen. Ich kann es Ihnen gleich verraten, ohne Einzelheiten zu berichten. Sie lief eine Woche lang ohne jeden Erfolg, außer einer Anzahl von Fehlmeldungen.
Über Interpol setzten wir uns mit der italienischen Kriminalpolizei in Verbindung. Was wir über Antonio Loccatelli erfuhren, war dürftig genug. Die italienischen Behörden kannten ihn als einen nicht vorbestraften Fernsprechmechaniker, der versucht hatte, in die Staaten auszuwandern, wegen einer Lungenkrankheit jedoch zurückgewiesen worden war. Daraufhin beschaffte er sich ein Besuchervisum, blieb bei uns und tauchte unter. Mit allen Mitteln versuchten wir, den Weg Loccatellis rückwärts aufzudecken, angefangen von der Stunde, da er auf dem Pflaster der 63. Straße gestorben war, bis zu dem Augenblick, da er Amerikas Boden betreten hatte. Mr. High setzte Sarcassani darauf an, einen unserer Leute italienischer Abkunft, denn es stand so gut wie fest, daß Loccatelli zunächst bei seinen italienischen Landsleuten in New York Unterschlupf gefunden hatte. Sarcassani machte sich auf die Socken, aber wir wußten, daß es Wochen dauern konnte, bis er Resultate brachte.
Sie verstehen, daß es uns in den Fingern kribbelte, jeden Tag fanden Lagebesprechungen beim Chef statt. Alle Meldungen wurden überprüft, und oft genug setzten Phil und ich uns auf die Spuren, die dann ins Leere führten.
Am neunten Tag seit Beginn der Fahndungsaktion sagte Mr. High am Anfang unserer morgendlichen Sitzung: »Sarcassani hat sich für heute zum Vortrag gemeldet. Er scheint etwas gefunden zu haben. Übrigens habe ich für Sie beide heute abend eine Einladung.« Er hielt eine Karte hoch, die aus feinstem Büttenpapier war. »Mr. Gradness erinnert an das Versprechen, das wir ihm anläßlich seiner Verhaftung gaben, und erwartet uns heute abend zu einer Gesellschaft.«
Ich hatte über den letzten Ereignissen diesen unglücklichen Autofahrer fast vergessen.
»Müssen wir dahin, Chef?« fragte ich unlustig.
Mr. High hob die Schultern. »Ich gehe hin. Ich kann Sie natürlich leicht mit dringenden Dienstgeschäften entschuldigen.«
Ich merkte, er hätte es gern gesehen, wenn wir mitgingen. Mr. High hat als Chef des FBI eine Menge Rücksichten auf die führenden Männer der Stadt und des Staates New York zu nehmen. Freilich, wenn es ernst wurde, pfiff er unter Umständen darauf, andererseits war er zu klug, sie unnötig vor den Kopf zu stoßen.
Dieser James Gradness schien auf irgendeine Weise erheblichen Einfluß zu haben. Schön, taten wir also dem Chef den Gefallen und gingen mit zu der Gesellschaft.
»Smoking notwendig?« fragte ich.
Der Chef lächelte. »Ich denke schon.«
Ich stieß einen ergebenen Seufzer aus. Ich hasse es buchstäblich, mich in enge Lackschuhe zu zwängen, einen feierlichen Anzug anzuziehen und den vornehmen Mann zu markieren. Ich bin nämlich keiner, und ich habe das Gefühl, wenn ich mich auf dem Parkett bewege, merken mir alle Leute an, daß ich aus einem Dorf in Connecticut stamme.
»Also gut«, entschied Mr. High, »wir fahren also zusammen hin. Holt mich um acht Uhr abends in meiner Wohnung ab.«
Kurz nach diesem Beschluß tauchte Sarcassani auf.
»Hallo«, begrüßte ich ihn, »hoffentlich bringst du etwas Licht in die Dunkelheit.«
»Ja, ich habe ein wenig gefunden«, antwortete er mit seinem noch immer etwas italienischen Akzent. »Loccatelli kam vor mehr als zwei Jahren in New York an, und er fand ein Zimmer bei einer italienischen Familie. Ich habe diese Familie jetzt entdeckt, arme Leute, aber ehrlich und brav. Stammen auch aus Neapel. Hatten Mitleid mit dem Jungen und nahmen ihn auf, als sein Visum abgelaufen und sein Geld zu Ende war. Ohne
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