0006 - Ich stürmte das graue Haus
was Mr. Gradness weiterhin für eine Show zu veranstalteten gedachte.
Die Tür hinter mir öffnete sich. Der Korridor war beleuchtet. »Kommen Sie jetzt bitte in mein Arbeitszimmer«, sagte Gradness. »Ich warte dort auf Sie.«
Ich steckte die Hände in die Taschen und schlenderte hinaus, ging langsam den Korridor entlang. Das Haus schien immer noch wie ausgestorben, aber ich wußte, daß ich hier keinen Schritt ungesehen tun konnte.
Ich legte die Hand auf die Klinke der Tür zum Arbeitszimmer, aber auch diese Tür öffnete sich ohne mein Zutun. Wieder stand ich Gradness gegenüber. Er saß hinter seinem Schreibtisch und war genauso angezogen wie vorhin.
»Setzten Sie sich dort, G-man«, sagte er und wies auf einen Sessel dem Schreibtisch gegenüber, aber mindestens zehn Schritte entfernt.
Das Zimmer war verändert. Sämtliche Teppiche, die heute abend noch den Fußboden bedeckt hatten, fehlten.
Ich setzte mich. Auf einem Tischchen neben dem mir zugewiesenen Sessel stand tatsächlich ein Whiskysoda mit Eis.
Ich nahm einen kräftigen Schluck.
»Sind sie es jetzt richtig, oder sind Sie wieder nur ein Abbild Ihrer selbst?« fragte ich, während ich das Glas zurückstellte.
»Jetzt bin ich es selbst«, antwortete er grinsend.
»Der Trick mit dem Spiegel war der hübscheste, den Sie bisher gezeigt haben«, sagte ich gemütlich. »Sie hätten besser Illusionist statt Erpresser werden sollen.«
»Man verdient so mehr«, entgegnete er.
»Aber man riskiert seinen Kopf«, schlug ich zurück.
»Sie verdienen noch weniger und haben Ihren Kopf schon verloren I«
»Woher haben Sie eigentlich Ihre technischen Fähigkeiten?«
»Ich habe überhaupt keine Fähigkeiten in der Richtung. Ich habe nur die Phantasie und die Ideen. Einer meiner besten Leute wurde erschossen. Durch Sie gewissermaßen. Ich hätte lieber gesehen, Brandy hätte Sie getötet, aber er fürchtete sich offenbar instinktiv davor, auf einen G-man zu schießen. Er wird noch Gelegenheit haben, sich diese Furcht durch Übung abzugewöhnen.«
Ich lehnte mich zurück.
»Ich glaube, ich übersehe jetzt einigermaßen klar, auf welche Weise Sie Ihr verdammtes Geschäft aufziehen«, sagte ich. »Sie sind Vorsitzender einer Vereinigung, die sich die Hilfe für entlassene Strafgefangenen zum Ziel gesetzt hat. In dieser Eigenschaft können Sie zwanglos mit Ganoven jeder Sorte verkehren, und Sie holen aus den ehemaligen Gefangenen das Wissen über unaufgeklärte Taten heraus, die sie mit irgendwelchen anderen Männern begangen haben. Soweit sich diese unentdeckten Verbrecher in guten oder leidlichen Verhältnissen befinden, erpressen Sie sie. Sie haben sich im Laufe der Zeit einen Überwachungsapparat geschaffen, der es Ihrem Opfer nicht einmal mehr erlaubt, ein Telefongespräch unbelauscht zu führen. Ruster und Landy waren nicht die einzigen. Ich wette, Sie lassen Dutzende von Leuten bluten.«
»Ich kann Ihnen die ganze Zahl sagen«, antwortete er, und jetzt leuchtete Triumph in seinen Augen. »Es sind einhundertzwölf Männer und Frauen, und ich kassiere von ihnen mehr als hunderttausend Dollar jeden Monat. Ich bin nicht so dumm, sie so zu erpressen, daß sie pleite gehen. Ruster war ein Hysteriker, der mich durch seine Hysterie ernsthaft in Gefahr brachte. Die anderen, so hoffe ich, haben sich bereits daran gewöhnt, daß sie an mich zahlen müssen. Ich bin für sie kaum eine andere Erscheinung als ein geheimes Finanzamt.«
»Und wie lange treiben Sie es schon?«
»Fünf Jahre, G-man. Ich habe das Geschäft langsam aufgebaut. Auch die Überwachung wurde erst nach und nach organisiert. Sie ist selbst jetzt noch nicht überall einwandfrei, aber ich bekomme das auch noch hin. Loccatelli arbeitete an einem Verfahren, einen Mann nötigenfalls durch einen Stromstoß zu töten, während er telefonierte. Sie glauben nicht, welche Möglichkeiten es auf diesem Gebiet gibt. Man kann das so automatisieren, daß der Stromstoß ausgelöst wird, sobald der Mann nur die Nummer des FBI wählt, und Sie würden am anderen Ende der Strippe nicht mehr hören als das Schweigen des Toten. Leider starb Loccatelli zu früh. Es wird lange dauern, bis ich einen zweiten Burschen von seiner Begabung finde.«
Er war der perfekte Satan. Ich empfand das voll erst in diesem Augenblick.
»Wir werden Sie daran hindern, Ihre teuflischen Pläne auszuführen«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor.
»Wer?« höhnte er.
»Ich, zum Beispiel«, knurrte ich und schnellte aus dem Sessel hoch.
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