0006 - In den Klauen der Mumie
die Aufzugkabine hinein. Schnell trat das Monster auf den Korridor hinaus.
Es war genau jener Korridor, auf dem Richard Rush, der Magier, sein Zimmer hatte. Zu ihm war die Mumie nun unterwegs.
Er sollte sterben.
Irgendwo klappte eine Tür zu.
»Die Chicagoer Symphoniker sind weltberühmt, mein Schatz«, sagte jemand. »Sie werden dir bestimmt gefallen.«
»So?« piepste ein Mädchen. »Na, hoffentlich.«
Schritte näherten sich dem Lift. Die Mumie wandte sich um, lief den Korridor entlang und verbarg sich in der schmalen Gerätekammer am Ende des Ganges…
***
Richard Rush betrachtete sich im Spiegel des Badezimmers. Die grauen Ringe unter seinen Augen gefielen ihm gar nicht.
Diese verfluchte Mumie. Wer hätte gedacht, daß die Geschichte einmal so weitergehen würde. Am allerwenigsten er selbst.
Was war bloß los mit dem Kerl? Rush fragte sich besorgt, was er falsch gemacht hatte. Irgend etwas war schiefgelaufen. Er hatte die Kontrolle über die Bestie verloren. Und nun streunte sie durch die Gegend und brachte Leute um.
Wo war sie nun? Wo war sie im Augenblick? Wieder drüben im Theater?
Rush machte sich Gedanken darüber, wie er die Mumie nötigenfalls vernichten könnte, falls sie auch ihm gefährlich werden sollte. Gab es die Möglichkeit, sie zu vernichten? Rush zweifelte daran.
Sie hatte Claudio Ravazza erwürgt. Wenn sie klar und analytisch denken konnte - was selbstverständlich über Rush's Vorstellungskraft weit hinausging -, wenn die Mumie es aber doch konnte, dann würde sie irgendwann mal hier bei ihm auftauchen.
Der Magier fuhr erschrocken herum.
War sie etwa schon da? Ein Geräusch hatte ihn erschreckt. Schnell trat er aus dem Badezimmer und schaute sich im Wohnraum um. Niemand war da. Und doch fühlte sich Rush in diesem Augenblick nicht wohl. Er fühlte sich beobachtet, fühlte sich bedroht, obgleich niemand zu sehen war.
Fühlte er die Ausstrahlung der unheimlichen Mumie?
Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Es hatte keinen Sinn, durchzudrehen, ohne daß ein Grund vorhanden war. Vielleicht hatte die Mumie Chicago bereits verlassen. Vielleicht war sie in diesem Moment in einem ganz anderen Stadtteil.
Rush überlegte weiter: Irgendwann würde es der Polizei wohl gelingen, die Mumie zu stellen. Er stellte sich den Großeinsatz vor. Die Bullen würden die Mumie einkreisen und aus allen Rohren auf sie ballern.
Aber konnte der Mumie das etwas anhaben? Sie war doch tot. Konnte man etwas töten, das tot war?
Rush kehrte ins Badezimmer zurück. Er schaltete den Elektrorasierer ein und begann lustlos die Bartstoppeln von seinen Wangen zu hobeln. Es war wohl besser, von hier fortzuziehen. Es war sicher ratsam, die Mumie ihrem Schicksal zu überlassen und zu verduften, ehe sie den Weg zu ihm zurückfand, denn das würde unter Umständen schlimme Folgen nach sich ziehen.
Nachdem sich Rush die Wangen glattrasiert hatte, tropfte er grünliches Rasierwasser auf die Wangen. Er schloß dabei die Augen, genoß den Duft und das leichte Brennen auf der Haut.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er im Spiegel die Mumie.
Sie stand in der Tür. Aufrecht, mächtig, kraftstrotzend. Er hatte sie nicht einmal eintreten gehört. Ihre Augen glühten durch den Verband.
Ihr Anblick drang Richard Rush bis ins Mark.
***
»Man gelangt durch den Kanalisationsstollen vom Hotel direkt ins Theater«, sagte Professor Zamorra. »Ich bin sicher, daß die Mumie diesen Weg nach dem Mord an Claudio Ravazza gegangen ist, denn für mich ist klar, daß Ravazza von keinem Menschen umgebracht wurde. Ferner wird mir allmählich klar, daß uns Mr. Rush einen Bären aufgebunden hat. Seine Mumie, die ihm abhanden gekommen ist, ist bestimmt keine Puppe aus Holz und Pappmaché. Ich bin versucht, zu behaupten, daß Rush's Mumie irgendwann mal ein Mensch war. Der Magier hat meiner Meinung nach eine Möglichkeit entdeckt, die Mumie zum Leben zu erwecken.«
»Wie denn?« fragte Nicole Duval ungläubig.
Barbara Blake, Nicole, Bill Fleming und Professor Zamorra saßen wieder in der Hotelbar beisammen. Die Hausdurchsuchung drüben im Theater war beendet. Man labte sich hier mit erfrischenden Drinks.
»Es gibt uralte überlieferte Zauberformeln«, sagte Professor Zamorra. »Schütteln Sie nicht den Kopf, Nicole. Das gibt es wirklich. Ich habe es selbst schon mal miterlebt, wie ein Medizinmann in Zentralafrika einen Mann, der seit einer Woche tot war, wieder zum Leben erweckt hat.«
»Das gibt es doch nicht, Chef. Wenn das so
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