0006 - In den Klauen der Mumie
draußen.
Zwölf Stockwerke ging es abwärts. Entsetzt preßte der Magier die Augen zusammen. Er hielt den Atem an. Der Chromsims, der in jeder Etage rund um den Hotelblock lief, war verdammt schmal. Und verflucht glatt. Ein falscher, unachtsamer Tritt, und er stürzte unweigerlich in die Tiefe. Der Anblick der abendlichen Straße allein machte ihn schon schwindelig.
Da erschreckte ihn das Knurren der Mumie, die wankend auf das Fenster zugelaufen kam.
Rush mußte es wagen. Wenn er schon sterben sollte, dann auf keinen Fall von der Hand dieses schrecklichen Monsters. Verzweifelt drückte sich Richard Rush vom Fenster weg.
Der Arm der Mumie schnellte vorwärts, wollte ihn vom Sims stoßen, verfehlte ihn nur ganz knapp. Atemlos preßte sich Rush an die kalte Außenwand des hohen Hotels.
Mit kleinen Schritten arbeitete er sich vom Fenster seines Zimmers weg.
Da stieg schon die Mumie heraus. Rush stockte der Herzschlag. Die Mumie verfolgte ihn selbst hier draußen. Er hatte gehofft, daß ihr das zu gefährlich oder gar unmöglich wäre.
Doch das Monster setzte mit schlafwandlerischer Sicherheit die bandagierten Füße auf den schmalen Chromsims.
Rush tastete sich an der glatten Wand weiter. Entsetzt stellte er fest, daß sich die Mumie wesentlich schneller vorwärtsbewegte als er. Sie mußte ihn bald eingeholt haben.
Schwitzend ging er so schnell wie er konnte. Die Mumie streckte bereits den Arm nach ihm aus. Wenige Zentimeter fehlten nur noch. Rush konnte unmöglich noch schneller gehen. Das hätte sein Leben zu sehr gefährdet, es wäre unweigerlich zu einem Fehltritt gekommen, und er wäre zwölf Stockwerke in die Tiefe gesaust.
Wieder streckte die Mumie den Arm aus.
Rush zuckte zurück. Mit kleinen schnellen Schritten tastete er von dem Monster weg, für das die Verfolgung in dieser schwindelnden Höhe anscheinend ein harmloser Spaziergang zu sein schien.
Schweißüberströmt, zitternd, einer schweren Erschöpfung nahe, erreichte Richard Rush das Ende der Hotelfrontseite. Er glitt angstschlotternd um die Ecke. Dies war der absolut gefährlichste Augenblick. Er wagte nicht zu atmen, biß sich in die Unterlippe und tastete sich zaghaft vorwärts.
Geschafft.
Benommen stieß er die Luft aus. Doch das Monster war damit noch nicht abgeschüttelt. Die Mumie kam geradezu mühelos um die scharfe Kante der Fassade herum. Sie hatte aufgeholt. Blitzschnell schlug sie zu. Der Schlag traf Rush's Oberarm. Ein furchtbarer Schmerz lähmte den linken Arm. Rush biß bestürzt die Zähne zusammen. Um ihn herum begann sich alles zu drehen. Das war gefährlich. Sehr gefährlich. Der nächste Schritt konnte ihn schon ins Verderben werfen, ihn gnadenlos vernichten.
Eine Eisenleiter!
Fünf Meter trennten den Verzweifelten noch von ihr. Er mußte es schaffen, die Strecke zu überwinden. Rush ging nun schneller, als er es vor sich selbst verantworten konnte. Er mußte schneller gehen. Die Mumie war ihm bereits so nahe gekommen, daß ihn der nächste Hieb in die Tiefe schleudern konnte.
Vier Meter.
Deutlich hörte Richard Rush die Mumie schnaufen. Er schaute nicht mehr zurück, blickte nur noch auf die Sprossen der Eisenleiter, die zum Dach hinaufführte. Wenn es ihm gelang, sie zu erreichen, war er vielleicht gerettet.
Drei Meter.
Das Monster erkannte die Absicht des Magiers. Es wollte verhindern, daß Rush die Leiter erreichte, und drosch erneut nach ihm.
Der Hieb ging jedoch knapp daneben. Der steinharte Arm des Ungeheuers krachte gegen eine Chromstrebe und schlug eine häßliche Delle hinein.
Zwei Meter.
Richard Rush's Herz hämmerte wild in seiner Brust. Schweiß floß in wahren Bächen über sein Gesicht. Sein Hemd, sein Unterhemd, alles klebte unangenehm auf seiner Haut. Der kalte Wind fauchte ihm unter die Haut und ließ ihn frieren, während die Angst aus seinem Knochenmark Eis machte.
Noch einen Meter.
Die Mumie kam näher, faßte nach dem Jackett des Magiers. Er stieß einen krächzenden erschrockenen Schrei aus, schnellte von der Mumie weg. Das Jackett zerriß mit einem häßlichen Geräusch.
Da passierte das, wovor sich Rush so sehr gefürchtet hatte. Die Angst hatte ihn einen unachtsamen Schritt machen lassen. Er glitt aus, als wäre er auf eine Bananenschale getreten.
Ein wahnsinniger Schrei entrang sich seiner zugeschnürten Kehle. Er kippte zur Seite, stürzte. Seine Hände schnellten nach vorn, suchten irgendwo Halt. Sie fanden eine Sprosse und krallten sich darum. Das Gewicht seines Körpers drohte
Weitere Kostenlose Bücher