0006 - In den Klauen der Mumie
meinen Teil habe ihm klipp und klar gesagt, daß ich - bildlich gesprochen natürlich - keinen Fuß mehr in sein Theater setze, solange man diesen unheimlichen Mörder nicht zur Strecke gebracht hat. Ich bin diesem verfluchten Kerl einmal entkommen. Wer weiß, ob ich ihm noch mal entkommen würde.«
»Was hat Feldon darauf gesagt?« erkundigte sich Zamorra.
Barbara zuckte die Schultern.
»Was konnte er darauf schon sagen? Er versteht meinen Standpunkt natürlich, und er ist mir sehr dankbar, daß ich die gestrige Vorstellung nicht platzen ließ. Mehr kann er wirklich nicht von mir verlangen.«
»Wird das Stück nun nicht gespielt?«
Barbara trank den Bourbon aus.
»Ich weiß nicht, wie sich Hank Feldon entscheiden wird. Meiner Meinung nach sollte das Theater bis auf weiteres gesperrt werden, denn es ist für jeden Schauspieler, ja, für das ganze Personal, gefährlich, sich darin aufzuhalten. Der Mord an Lilly Bond müßte das doch hinlänglich bewiesen haben. Möglicherweise setzt sich Hank Feldon hundert Polizeibeamte ins Theater, um weiterspielen zu können. Ich kann ihn verstehen. Das Theater kann schwerlich auf die Einnahmen verzichten. Andererseits aber werden die Leute dem Theater fernbleiben, wenn dort noch mal etwas passiert.«
Zamorra ließ die Rechnung auf seine Zimmernummer schreiben.
Danach verließen sie die Hotelbar, um das nahe gelegene Theater aufzusuchen. Als sie auf die Straße traten, setzte die Dämmerung ein. Vom Michigansee, zu dessen Promenadenufer man kaum vier Minuten zu gehen hatte, wehte ein kühler Wind.
Große Leuchtbuchstaben strahlten Barbara Blakes Namen auf die Köpfe der hastenden Passanten hinab. Darunter, wesentlich kleiner, stand der Titel des Stückes: »Auftakt für die Liebe.« Ein banaler Titel, doch das Stück war sehenswert. Vor allem wegen Barbara.
Die Schauspielerin begrüßte die Frau, die im gläsernen Kassenschalter saß und Eintrittskarten verkaufte. Dann ging sie mit Zamorra und seinen Freunden über eine sandfarbene Marmortreppe ins Obergeschoß hinauf.
Hinter einer hohen schweren Holztür befand sich das Büro des Theaterdirektors.
Hank Feldon saß an einem mächtigen Schreibtisch. Hinter ihm hing ein Ölgemälde an der Wand, das das Theater zu seiner Gründungszeit - also lange vor dem Umbau - zeigte. Dicke schwere Vorhänge hingen vor den hohen Fenstern und schirmten den Straßenlärm wohltuend ab.
Feldon war kaum vierzig. Ein junger Theaterdirektor. Er hatte ein unverwechselbares, markantes männliches Gesicht, klare Augen und eine korrekte Haltung, als er sich nun erhob und den Eintretenden mit einem fragenden Ausdruck in den Zügen entgegenging. Das, was geschehen war, hatte sich in sein Gesicht gekerbt. Professor Zamorra konnte deutlich erkennen, daß dieser Mann große Sorgen hatte.
Barbara stellte ihre Begleiter vor. Dann brachte sie Zamorras Wunsch vor.
»Was versprechen Sie sich von dieser privaten Hausdurchsuchung, Professor?« fragte Feldon mit heiserer Stimme, in der eine gewisse Furcht vor der Zukunft mitschwang.
»Ich möchte die Mumie finden, Mr. Feldon.«
»Das ist den Polizisten nicht gelungen«, sagte der Theaterdirektor.
Zamorra lächelte.
»Es kann keinesfalls schaden, wenn auch ich mein Glück versuche.«
Hank Feldon nickte ein wenig abgespannt.
»Das kann es tatsächlich nicht, Professor. Meinetwegen. Suchen Sie die Mumie. Aber seien Sie vorsichtig. Was passiert ist, reicht mir. Ich will nicht, daß man morgen Ihre oder sonst jemandes Leiche irgendwo entdeckt.«
»Ich übernehme selbstverständlich jede Verantwortung, Mr. Feldon.«
»Na fein. Dann wünsche ich Ihnen Hals- und Beinbruch… Wobei ich das selbstverständlich nicht wörtlich meine.« Der Theaterdirektor lächelte schief.
Zamorra mußte versprechen, ihn über den Ausgang der Durchsuchung zu informieren. Der Professor sagte zu, verabschiedete sich und verließ mit den anderen Feldons Büro.
***
Barbara Blake übernahm die Führung. Sie kannte sich einigermaßen in den Räumlichkeiten des Theaters aus. Zamorra wünschte natürlich auch die Garderobe zu sehen, in der Lilly Bond ermordet worden war. Danach betraten sie die Requisitenkammer. Die Kammer war eigentlich ein Saal. Vom Schwert über die Lanze, von der Pistole bis zum Gewehr war hier alles fein säuberlich untergebracht.
Weiter ging es. Sie blickten in Garderoben, in Duschräume, stiegen Treppen hinunter, durchschritten Gänge und öffneten viele Türen, die in irgendwelche Räume führten.
Der
Weitere Kostenlose Bücher