0006 - In den Klauen der Mumie
sagte Zamorra ernst.
»Mir ist übel!« erwiderte die Schauspielerin gepreßt.
Der Bourbon kam. Sie trank ihn aus. Die Eiswürfel schmolzen langsam im leeren Glas dahin.
»Was ist geschehen?« fragte Nicole Duval. Sie schaute Bill an.
Bill wandte sich der Schauspielerin zu.
»Bitte erzählen Sie, Barbara.«
Barbara Blake drehte ihr leeres Glas aufgeregt zwischen den Handflächen hin und her.
»Kann ich noch einen Drink haben?«
»Natürlich«, sagte Bill. Er trank sein Glas ebenfalls aus und bestellte nochmals dasselbe.
Die Nervosität der beiden ging auf Zamorra über. Er kniff die Augen zusammen und musterte die bleiche Schauspielerin gespannt.
Endlich begann Barbara Blake zu erzählen.
»Vor einer knappen Stunde gingen die Ballettproben zu Ende. Ich hatte eine Besprechung mit dem Theaterdirektor und war deshalb kurz nach dem Ende der Proben bei ihm. Wir mußten uns über ein Engagement unterhalten… Doch damit will ich Sie nicht belasten, gehört auch gar nicht hierher. Während ich im Büro des Direktors war, hat diese schreckliche Mumie wieder zugeschlagen.«
Zamorra erschrak.
»Im Theater?«
»Ja.«
»Was ist passiert, Barbara?«
»Die Mumie hat eine neunzehnjährige Tänzerin erwürgt.«
»Wo?«
»In der Gemeinschaftsgarderobe.«
»Hat das Mädchen denn nicht um Hilfe gerufen?«
»Doch.«
»Konnte man ihr nicht…«
»Jede Hilfe kam zu spät, Professor«, sagte Barbara Blake niedergeschlagen. Sie schien sich in die Lage des verzweifelten Opfers zu versetzen. Sie wußte, wie diesem armen Mädchen zumute gewesen war. Ihr selbst war dieses schreckliche Erlebnis am eigenen Leib widerfahren. Rückschauend grenzte es an ein Wunder, daß die Mumie sie nicht getötet hatte.
»Wurde die Mumie gesehen?« fragte Nicole Duval.
»Ja«, sagte Barbara Blake. »Der Mann, der Lilly Bond - so hieß die Tänzerin - zu Hilfe geeilt war, hat das schreckliche Monster gesehen. Die Mumie war noch über das Mädchen gebeugt, als er in die Garderobe stürmte. In diesem Moment hat das Mädchen sogar noch gelebt.«
»Wie schrecklich«, flüsterte Nicole entsetzt.
»Der Mann sagte, Lilly hätte sich verzweifelt gewehrt, sie hat wild um sich geschlagen, hat ihr Leben bis zum letzten Atemzug verteidigt. Doch das scheußliche Monster hat ihre Kehle nicht mehr losgelassen. Es hat unbarmherzig zugedrückt. Ich weiß genau, wie kraftvoll dieser Druck ist. Dagegen kann man sich nicht wehren, Professor Zamorra.«
»Was hat der Mann getan?« fragte Zamorra.
»Er hat sich auf das Ungeheuer gestürzt, wollte es von dem Mädchen wegreißen, doch die Bestie ließ erst von Lilly ab, als sie tot war. Dann wandte sie sich dem Mann zu. Er hatte große Mühe, sein Leben zu retten. Brüllend schlug er Alarm. Bis ins Büro des Theaterdirektors hinein haben wir ihn schreien gehört. Die Mumie hat ihn verfolgt. Als dem Mann dann aber einige Leute zu Hilfe eilten, kehrte die Mumie um und floh.«
»Wohin?« fragte Nicole Duval.
Barbara Blake zuckte die Schultern. Sie trank vom Bourbon und schüttelte ratlos den Kopf.
»Niemand weiß das.«
»Die Mumie kann sich doch nicht jedesmal in Luft auflösen«, sagte Nicole engagiert.
»Wer sagt Ihnen, daß sie das nicht kann?« fragte Barbara Blake nervös.
»Das ist doch Unsinn. Sie kann es bestimmt nicht«, erwiderte Nicole. »Es muß irgendwo im Theater einen Schlupfwinkel geben, wo sich der Mörder verstecken kann.«
»Denken Sie, die Polizei hätte diesen Schlupfwinkel nicht ausgeforscht, Miß Duval?«
»Vielleicht ist man nicht gründlich genug vorgegangen.«
»Ich denke, die Polizei weiß genau, wie man in solch einem Fall vorzugehen hat.«
Bevor dieses Gespräch in einen Streit ausarten konnte, schaltete sich Professor Zamorra ein.
»Eine Frage, Barbara…«
»Ja?« Die Schauspielerin schaute Zamorra direkt an.
»Glauben Sie, Sie könnten es für uns möglich machen, daß wir vom Direktor des Theaters die Erlaubnis bekommen, überall mal ein bißchen herumzuschnüffeln?«
»Wann möchten Sie die Erlaubnis haben?« fragte Barbara Blake.
»Jetzt«, sagte Zamorra.
»Okay«, erwiderte die Schauspielerin und nickte. »Wenn Sie wollen, gehe ich mit Ihnen sofort zu Mr. Hank Feldon. Ein netter Mensch. Wird Ihnen sicherlich gefallen. Spielt selbst Theater, wenn er dazu Lust und Zeit hat. Ich bin sicher, daß er nichts dagegen hat, wenn Sie sich im Theater ein wenig umsehen. Schließlich ist er ja brennend daran interessiert, daß dieser furchtbare Spuk ein Ende nimmt. Ich für
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