0009 - Ich jagte den Mississippi-Piraten
Kamin wurde ein Feuer entzündet. Schon kam auch der Hotelier mit einer Ladung dampfenden Grogs, und als wir davon die erste Runde durch die Kehlen gejagt hatten, wußten wir, daß wir dieses Abenteuer schlimmstenfalls mit einem kleinen Schnupfen überstehen würden.
Die Gaststube bot einen malerischen Anblick. Über allen Stühlen, die rund um den Kamin gruppiert worden waren, hingen nasse Kleider. Dazwischen wärmten sich Männer, mit um den Leib geschlungenen Handtüchern als Lendenschurz, die Rücken und schlückerten dampfende Getränke in nicht unbeachtlichen Mengen. Petitpierre, Lockwell und ich, nicht anders bekleidet als die Matrosen, saßen etwas abseits, bei uns der als einziger normal angezogene Beek, der die lachende Bemerkung machte, unter Nackten fühle sich ein Bekleideter nackt.
Aber das war der einzige Scherz, der fiel. Alles andere war durchaus ernst gemeint. Mir brannte die Frage auf der Seele, was passierte, bevor der »Mississippi-Pirat« aufkreuzte.
»Sie fragen noch?« knurrte Petitpierre. »’ne Sprengladung ging im Heck hoch. Lockwell und ich konnten ja nicht mehr hin, weil es gleich brannte, aber das Ding muß im hinteren Laderaum explodiert sein. — Ich sage Ihnen, es knallte genau im richtigen Augenblick. Wir waren keine Viertelmeile vom Ufer weg. Das ist immer so an dieser Stelle, denn der Mississippi hat dort eine starke Sandbank in der Flußmitte, über die ein Frachter zwar noch hinweggleiten kann, aber wenn man schwer geladen hat, geht man gewöhnlich kein Risiko ein. Das machen alle Frachtkähne so.«
»Eine Sprengladung also«, murmelte ich.
»Ja«, sagte der Steuermann. »Eine Höllenmaschine oder so etwas. Jedenfalls ein Ding mit einem Zeitzünder.«
»Na?« zweifelte ich.
»Und warum nicht?« begehrte Petitpierre auf. »Schließlich ist meine ›Marguerite‹ nicht von selber explodiert.«
»Das stimmt, aber ich glaube nicht, daß es eine Höllenmaschine war. Zunächst sind diese Dinger selten. Zweitens sind Sie seit vier Tagen von New Orleans aus unterwegs, und während dieser Zeit hat kein fremder Fuß mehr das Schiff betreten. Für vier Tage kommen Sie bei einer Höllenmaschine schon nicht mehr mit einem gewöhnlichen Uhrwerk aus. Drittens konnte der Mississippi-Pirat nicht wissen, welchen Zwischenfällen und Verzögerungen Ihre Reise ausgesetzt sein konnte. Ein Maschinenschaden, und das Ding wäre in einem Hafen losgegangen und somit für ihn ohne Wert gewesen. — Viertens bestand für den Piraten gar kein Grund, Ihren Kahn in der Nähe des Ufers explodieren zu lassen, denn ihm ist es völlig gleichgültig, ob Sie und Ihre Leute ersaufen, aber für den Mann, der die Zündschnur anlegte, für den war es nicht gleichgültig, denn er befand sich an Bord des Schiffes und für ihn war es kein Spaß, von der Mitte des Flusses aus das Ufer gewinnen zu müssen.«
Der Kapitän starrte mich an.
»Sie meinen, einer meiner Leute hätte die Explosion ausgelöst?« fragte er langsam.
Ich nickte.
Petitpierres mächtiger Schädel drehte sich wie an einer Schnur gezogen ruckartig dem Kamin zu, vor dem die fünf Matrosen hockten. Er stemmte die Fäuste auf den Tisch, und ich sah seine breiten Schultern zucken. Rasch legte ich ihm die Hand auf den Arm.
»Lassen Sie mich das machen, Kapitän. — Habe, glaube ich, etwas mehr Erfahrung in diesen Dingen.«
Petitpierre nickte. Seine Augen waren jetzt böse.
Wenn auch sein Schiff sicherlich durch eine Versicherung gedeckt war, so bedeutete der Verlust für einen Kapitän ungefähr so etwas wie der Tod eines geliebten Wesens. Ich verstehe nichts vom Seelenleben der Frachtschiffer, aber jedenfalls steht es so oder ähnlich in den Romanen.
»Herkommen!« brüllte der Kapitän seine Leute an. Die Männer fuhren, schon etwas beschwingt von dem Grog, zusammen, erhoben sich und kamen herbeigetrottet. Die Handtuchschürze wippten auf eine komische Art und Weise.
»Weg mit dem Grog!« befahl Petitpierre. Seine Matrosen stellten zögernd die Gläser aus den Händen. »Der G-man hat euch ein paar Fragen zu stellen. —Ich will, daß ihr die Wahrheit antwortet.«
Ich zündete mir eine neue Zigarette an.
»Ihr werdet euch Gedanken darüber gemacht haben, was heute nacht passiert ist«, sagte ich und stieß den ersten Rauch aus. »Die ›Marguerite‹ hatte angeblich eine Ladung Juwelen an Bord, die den Mississippi-Piraten anlocken sollte. Die Rechnung war ganz richtig. Er kam. — Aber vielleicht witterte er doch Unrat. So beschloß er,
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