0009 - Ich jagte den Mississippi-Piraten
jetzt mußte ich, wenn ich nicht selbst daran glauben wollte. Ich hob den Lauf meiner Waffe ein wenig an. In diesem Augenblick rutschte der Kapuzenmann ins Boot hinein, zog den Kopf hinter die Bordwand und war bis auf ein winziges Zipfelchen seiner Kapuze hinter dieser Deckung verschwunden.
In der Pause, die seine Maschinenpistole während dieser Bewegung machen mußte, hackte ich wild mit meinem Schießeisen darauf los, aber ich glaube nicht, daß ich ihn traf, denn er bot kaum ein Ziel, und eine M. P. ist ohnedies keine Waffe, mit der man besonders gut zielen kann.
Der Pirat feuerte zurück. Er lag jetzt schlechter, da ich ihn mit meinem Feuer zwang, den Kopf in der Deckung zu halten.
Der dritte Vermummte war inzwischen ins Boot geklettert, nur der vierte trieb noch im Fluß. Er mußte sich irgendwie in seinen Umhang verheddert haben. Ich sah seine Arme schlagen und plötzlich packte ihn die Angst, und er begann zu schreien: »Holt mich doch! Laßt mich doch nicht versaufen! John, Allan…«
In einer Zeit, die man nicht messen kann, geschah drüben im Boot etwas, das ich nicht erwartet hatte. Der Maschinenpistolenschütze sprang aus seiner Deckung hoch. Er stand frei in der Beleuchtung der Flammen, aber er richtete seine Waffe nicht auf mich. Ich sah deutlich die kleinen Wassergeister um den schwimmenden und schreienden Piratenmann aufsteigen. Dann zuckte sein Körper hoch, bäumte sich, die gerufenen Namen zerbrachen in einen wilden Schrei, die Arme schlugen platschend ins Wasser, dann trieb dort ein weißes Bündel ohne Bewegung, nicht anders wie ein Stück Holz.
Ich hatte den Schützen gut im Lauf, und ich hatte keine Hemmungen mehr.
— Ja, ich hatte keine Hemmungen, aber meine Waffe bekam sie plötzlich. Zwei Schüsse bellten noch, die leider fehlten, dann war das Magazin leer. Bevor ich das Reservemagazin aus der Tasche hatte, war der Mörder wieder hinter der Bordwand verschwunden, und das Boot selbst nahm langsam Fahrt auf.
Ich fummelte an der M. P. herum. Das Reservemagazin mußte sich bei der Rutschpartie verbogen haben. Ich bekam es nicht in den Schaft und wütend feuerte ich Magazin und Waffe ins Wasser und angelte mir meine Nullacht.
Während des Feuergefechts hatte die »Marguerite« noch ein paar Grad Schlagseite mehr bekommen. Es konnte nicht mehr lange dauern, und sie schlug um, wenn sie nicht vorher durch das eingedrungene Wasser wegsackte. Ihre Maschine war schon lange verstummt, und da niemand mehr das Ruder bediente, war sie quergetrieben und wurde von der Strömung breitseits den Mississippi heruntergetragen. Wo Kapitän Petitpierre und seine Leute sein mochten, wußte ich nicht. Wahrscheinlich waren sie längst über Bord gesprungen und ans Ufer geschwommen, denn wir befanden uns nur in geringer Entfernung davon.
Noch immer konnte ich vielleicht zweihundert Yards vor dem Wrack des Frachters den Schattenriß des Piratenbootes erkennen.
Zwischen ihm und dem Frachter trieb das weiße Bündel des von seinem Kumpanen erschossenen Gangsters näher und näher an das Boot heran. Ich erkannte, daß sie seine Leiche auffischen wollten. Noch einmal versuchte ich mit der Null-acht, sie daran zu hindern. Alles, was ich erreichte, war, daß ich mir eine neue Maschinenpistolenserie einheimste. Auf eine solche Entfernung war mit der Null-acht nichts auszurichten.
Ich sah, wie das Weiße in den Schatten des schwarzen Kahnes glitt. Ich weiß nicht, wie sie es dort festhielten, wahrscheinlich mit einer Enterstange oder so etwas, jedenfalls summte der Motor, der bisher verhalten gebrummt hatte, auf. Eine Heckwelle schäumte, ein wenig Wasserwirbel, rötlich scheinend durch die Flammen aus der »Marguerite«, dann glitt das Boot des Mississippi-Piraten in die Dunkelheit. Schon, als ich von den Umrissen nichts mehr erkennen konnte, glaubte ich, einen kleinen weißen Fleck auf den kurzen Flußwellen tanzen zu sehen. Dann war auch er verschwunden.
Für mich aber wurde es höchste Zeit, auszusteigen. Die »Marguerite« lag fast im Winkel von neunzig Grad auf der Oberfläche des Wassers. In ihrem Leib polterte es von der Ladung, die durcheinanderpurzelte. Ihr Heck brannte immer noch.
Ich spürte, wie das Schiff jetzt sehr schnell zu sinken begann, rollte mich über die Reling und klatschte ins Wasser. Sekundenlang ragten Deck und Aufbauten des Frachtkahnes wie eine Wand über mir, dann packte mich die Strömung und riß mich rasch vom Schiff weg. Noch ein paar Sekunden später zischte es auf, als das
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