0009 - Ich jagte den Mississippi-Piraten
sein Erscheinen mit einer Explosion zu kombinieren, die das Schiff bewegungsunfähig machen, Verwirrung stiften und eventuelle Verteidiger des angeblichen Juwelenschatzes aus dem Felde schlagen sollte. Die Ladung war so angebracht, daß die ›Marguerite‹ nicht allzu schnell sank. Wer der Urheber der Idee war, ist klar. Bleibt die Frage, wer die Sprengladung angebracht, und wer sie entzündet hat, denn sie kann höchstens zehn Minuten vor der Explosion entzündet worden sein. Viel länger als zehn Minuten brennt auch eine langsam glimmende Zündschnur nicht. — Da seit New Orleans kein Fremder seinen Fuß an Bord gesetzt hat, kann nur einer von euch — um genauer zu sein — nur einer von uns allen, die Zündschnur angesteckt haben.«
Die Matrosen sahen sich unbehaglich an oder starrten zu Boden.
Petitpierres Zorn ging mit ihm durch.
»Also gut«, brüllte er, »einer von uns allen. Lockwell und ich waren die ganze Nacht über gemeinsam auf der Brücke. Der G-man blieb tagsüber in der Kajüte, und in der Nacht waren Lockwell oder ich immer an seiner Seite. Wir drei scheiden aus. — Knees!« schrie er einen der Matrosen an. »Wo warst du?«
»In… der Kajüte…, Kapitän«, stotterte der Mann. »In der Koje, und Soocher und Liddingboom waren bei mir. Wir schliefen alle.« Zwei Männer nickten heftig mit den schweren Köpfen, wahrscheinlich handelte es sich um die beiden Genannten.
»Perruzzi?« polterte Petitpierre wie ein anrollendes Gewitter.
»In der Maschinistenkoje! Ich schlief!«
»Seath?«
»Vor der Maschine, Kapitän. Ich hatte Dienst.«
»Ihr beide habt keine Zeugen füreinander. Wer von euch beiden war es? Los — raus mit der Sprache, oder ich prügele euch beide, bis einer die Wahrheit gesteht.«
»Ich war es nicht, Kapitän«, schwor Perruzzi, ein schmaler, südländischer Typ. »Ich schlief so fest wie eine Ratte.« Seine Stimme begann zu zittern.
Seath war breit und blond.
»Ich war es auch nicht«, sagte er ziemlich ruhig. »Ich habe mich von der Maschine nicht fortgerührt. Und vom Maschinenraum zu den hinteren Laderäumen ist ein weiter Weg übers ganze Deck. Wenn ich den Weg gemacht hätte, hätten Sie mich von der Brücke aus sehen müssen, Kapitän.«
Petitpierre war viel zu zornig, um zu spüren, daß diese sachliche Erklärung eigentlich zu überlegt vorgebracht war, um gerade geboren worden zu sein. Er stürzte sich sofort, auf Peruzzi:
»Gestehe!« schrie er. »By Jove, ich breche dir die Knochen, du Hund.«
Der schmale Perruzzi war nahe daran, auf die Knie zu fallen.
Er wimmerte immer wieder: »Ich war es nicht. Wirklich, ich war es nicht!« Seath wandte sich seinem Kameraden zu.
»Du hast doch so einen komischen, schwarzen Kasten mit an Bord gebracht. Was war denn darin?«
Perruzzi heulte auf wie ein getretener Hund.
»Nichts habe ich an Bord gebracht! Du willst den Verdacht auf mich lenken. Ich zerschlage dir dein Schandmaul!« Er machte Miene, sich auf den anderen zu stürzen und mußte festgehalten werden.
Während diese Szene gegenseitiger Beschuldigungen ihrem Höhepunkt zustrebte, stand ich auf und ging zu den Stühlen am Kamin hin, auf denen die Kleider trockneten. Ich tastete die Seemannsklamotten ab. Bei der vierten Hose fand ich eine schmale Blechschachtel in der Tasche, sorgfältig mit Isolierband umwickelt und zugeklebt.
»Einen Augenblick mal«, sagte ich laut in Perruzzis Zetern, Petitpierres Brüllen und Seaths kalte Beschuldigungen.
Sie drehten sich alle mir zu.
»Wem gehört diese Hose?« fragte ich ruhig und zeigte auf das Kleidungsstück.
Zehn Sekunden lang Schweigen, dann stieß plötzlich jemand, es war der lange Knees, seinen Kopf gegen Seath vor und sagte:
»Das ist doch deine. — Warum meldest du dich nicht?«
»Tragt ihr anderen auch euer Geld wasserdicht verschlossen in der Tasche?« fragte ich.
Allgemeines Kopfschütteln, aber Seath schrie voller verzweifelter Frechheit: »Aber ich tu’s nun einmal. Ein Schiff kann schließlich immer absaufen.«
»Darf ich mal nachsehen, wieviel Sie gespart haben?« fragte ich, während ich schon das Isolierband abwickelte. Tiefes Schweigen, in das hinein unterdrückt eine Stimme murmelte: »Sparen? Der versäuft doch alles!«
Ich riß das letzte Stückchen Band ab und klappte den Blechdeckel hoch. Ein Bündel Dollarscheine lag in der Schachtel. Ich nahm sie heraus. Es waren lauter Zwanzig-Dollar-Scheine. Auf den Heller genau tausend Dollar in zwanziger Scheinen. Ich hob sie hoch, als ich sie
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