0009 - Im Würgegriff der roten Masken
ging um den Wagen herum, und Jim öffnete ihm die Tür von innen.
»Verflucht kalt heute, was?« meinte er. Der Maskierte nickte.
Die Finger seiner Hände waren lang. Die Haut wirkte bleich und durchsichtig. Die Nägel erinnerten Jim an Dolche.
Langsam wurde ihm doch unbehaglich zumute. Er räusperte sich und fragte: »Wohin geht denn die Reise jetzt?«
»Fahren Sie erst einmal weiter!«
Jim haute den Gang ins Getriebe und fuhr an. Der Lastwagen rumpelte los, wurde von Jim Read durch zwei Kurven gelenkt, passierte drei große, verkrüppelte Bäume und war dann am Ziel.
Die Lichtung lag mitten im Sumpf. Sie erinnerte Jim Read an eine Insel. Dort stand tatsächlich ein zerfallenes Gemäuer. Die Überreste eines Turms stachen wie ein verkrüppelter riesiger Finger in den Nachthimmel.
»Scheinwerfer aus!« befahl der Maskierte.
Jim Read gehorchte.
»Steig aus!« wurde er aufgefordert. Jim öffnete die Tür und sprang aus dem Wagen. Der Boden war mit kniehohem Sumpfgras bedeckt und weich wie eine Matte. Hart schlug Jim die Autotür ins Schloß. Es knallte wie ein Pistolenschuß.
Plötzlich wurden Jims Augen groß. Hastig sog er die kühle Luft ein.
Sie kamen aus dem Schatten des Gemäuers. Drei maskierte Gestalten, die genau der glichen, die Jim aufgehalten hatte. Sie näherten sich mit lautlosen Schritten, schienen den Boden kaum zu berühren.
»Was – was soll das?« murmelte Jim.
»Öffne die Ladeklappe!«
Jim, froh etwas zu tun zu haben, ging um den Wagen herum, löste die Verriegelung der Klappe und rollte ein Stück Plane hoch.
Die vier Unheimlichen waren ihm gefolgt.
»Gib uns die Ladung!«
Jim kletterte auf den Wagen. Er ächzte, als er den Steingötzen vorschob. Dieses Ding war verflucht schwer. Die Maskierten nahmen ihm dann die Arbeit ab. Behutsam hievten sie die Figur aus dem Wagen. Und ebenso behutsam verschwanden drei von ihnen mit dem Beutestück zwischen den verfallenen Mauern.
Jim Read sprang vom Wagen. Der Maskierte mit der Laterne hatte auf ihn gewartet. Read schloß die Ladeklappe und rollte auch wieder die Plane vor. Jetzt erst drückte ihm der Unheimliche den Geldschein in die Hand. Jim ließ ihn in seiner Hosentasche verschwinden.
»Kann ich jetzt fahren?« fragte er. Jim kannte seine eigene Stimme kaum wieder.
»Ja«, lautete die Antwort.
Jim Read war froh. Hastig lief er zum Führerhaus des Wagens und riß die Tür auf. Er hatte schon den Fuß auf die erste Stufe des Trittbretts gesetzt, als ihn die Stimme des Maskierten zurückhielt.
»Einen Moment noch, Mister!«
Eine Gänsehaut kroch über Jims Rücken. Hatten es sich die Typen anders überlegt?
Der Maskierte stand einen Schritt vor ihm. Jim konnte die blasse durchsichtige Haut unterhalb der Maske deutlich erkennen. Nur bei Toten hatte er bisher diese Hautfarbe gesehen.
»Sie haben Ihre hundert Pfund bekommen, Mister«, sagte der Maskierte. »Und damit vergessen Sie ihren Job. Sie vergessen die Fahrt und alles, was damit zusammenhängt. Haben Sie mich verstanden?«
Jim Read nickte eingeschüchtert.
Der Maskierte begann zu lächeln.
Auf einmal hatte Jim das Gefühl, in einem Eiskeller zu sitzen. Unsichtbare Hände schienen sein Herz zu umfassen. Der Maskierte hatte, als er lächelte, den Mund ein wenig geöffnet, und Jim war völlig sicher, zwei Vampirzähne gesehen zu haben.
Nur mit Mühe fing er sich.
»Also dann… also… ich fahre dann jetzt!«
Der Unheimliche nickte.
Jim Read warf sich förmlich in das Führerhaus. Hart knallte er die Tür zu. So schnell es ging wendete er den Wagen und raste los.
Seine Abfahrt glich einer überstürzten Flucht.
***
Mit geübtem Schwung kippte sich Bella Stanford den Brandy in die Kehle. Der Stoff tat ihr gut. Sie brauchte das Zeug. Schon seit drei Jahren leerte sie jeden Tag eine halbe Flasche. Früher, da ging es ihr besser. Da war sie die berühmte Bella gewesen, Star des White Angel, einem berühmten Nachtclub in Soho. Die Kerle hatten sich um sie gerissen. Und sie war verdammt nicht billig gewesen. Dann aber hatte sie sich mit einem Gangster eingelassen und ihn schließlich bei der Polizei verraten. Von nun an nahm niemand mehr einen Krumen Brot von Bella. Sie fand nicht einmal einen Job als Stripperin, nur noch als Putzfrau in einem Kaufhaus.
In jener Zeit hatte sie auch das Saufen angefangen, bis ihr Chef es gemerkt hatte. Bella flog raus, landete vollends in der Gosse und lernte durch Zufall Jim Read kennen.
Sie wußte auch nicht, was Jim an ihr gefressen
Weitere Kostenlose Bücher