001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
Fassung waren die Worte: Im Dienst der Menschheit eingraviert.
Daneben stand die Bezeichnung: X-RAY-18. Dieser Ring wies Henry Parker nicht
nur als Spezialagenten aus, mit ihm hatte es auch seine besondere Bewandtnis.
Der Agent dachte an die Depesche, die er im Lauf der frühen
Nachmittagsstunden erhalten hatte. Vom Nachrichtendienst der französischen
Regierung war ihm Marc Lepoirs Tod mitgeteilt worden. Ganz in der Nähe von
Maurs war es zu dem rätselhaften Ableben des jungen Franzosen gekommen. Gewisse
Einzelheiten passten gut in das Bild, das Henry Parker inzwischen gewonnen
hatte. Und doch war Lepoirs Tod alles andere als eine Parallele zu den Fällen,
die er bisher studierte. Der geheimnisvolle Gegner begnügte sich nicht mehr
damit, seine Opfer auszunutzen, sondern tötete sie.
Zufall oder Absicht?
Bald würde er mehr wissen. Heute Nacht schon hoffte er, den Schleier des
Geheimnisses zu lüften.
Gegen sechzehn Uhr verließ Henry Parker die kleine Pension. Er trug eine
hellgraue Sommerhose und ein zitronengelbes Sporthemd. Auf der bloßen Haut lag
das Schulterholster, in dem eine moderne Smith & Wesson Laserwaffe steckte,
die nur von Agenten der PSA gebraucht wurden. Der geheimnisvolle X-RAY-1,
dessen Name und Herkunft niemand kannte und der die PSA leitete, hatte sich die
neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Waffentechnik zunutze gemacht und für
seine Agenten eine Spezialwaffe anfertigen lassen.
Henry Parkers Gesicht wirkte ernst und verschlossen. Während er an den
Cafés und Geschäften vorbeischlenderte, hier und da blieb er stehen und
betrachtete die Auslagen, dabei gingen ihm zahllose Gedanken durch den Kopf.
Auf diese Weise erreichte er den Randbezirk der kleinen Stadt. Die Sonne
brannte noch immer erbarmungslos. Die Luft war trocken. Kein Lüftchen regte
sich. Der einsame Spaziergänger bewegte sich schon wenig später auf der nach
Süden führenden Landstraße. Sanft stiegen die Berge hinter den Feldern in die
Höhe. Die Pappeln am Straßenrand ragten wie dunkle Fackeln in den Himmel. So
etwas wie die Stimmung eines heißen Tages in der Provence, wie Vincent van Gogh
sie einfangen konnte, lag in der Luft.
In der Ferne hinter drei mächtigen Buchen erkannte X-RAY-18 Canols Haus. Es
lag inmitten eines parkähnlichen Gartens, der von einem schmiedeeisernen Gitter
umzäunt war. Ein reicher Franzose hatte sich diese Villa um die
Jahrhundertwende bauen lassen. Canol hatte es vor einigen Jahren erworben und
lebte in dem großen Haus offensichtlich ganz allein.
Henry Parker hätte seinen Wagen nehmen können, der in der Garage des Le
petit Jardin stand. Doch er ging mit voller Absicht zu Fuß. Henry Parkers Plan
konnte nur gelingen, wenn er sein Fahrzeug in der Garage ließ. Er hatte alles
genau durchdacht. Canols Angewohnheit gab ihm die Möglichkeit, gemeinsam mit
ihm das Ziel zu erreichen, ohne dass Canol Verdacht schöpfte, weil ihm ein
fremder Wagen folgte.
Henry Parker lief auf der linken Straßenseite.
Ein einziges Mal nur begegneten ihm zwei Radfahrer und ein Sportwagen. Die
Straße lag wie eine graue, vor Hitze flirrende Schlange vor ihm.
Und dann hörte er das Motorengeräusch hinter sich. Ein Wagen kam näher ...
Unwillkürlich warf Henry Parker einen Blick zurück. Glaubte, sein Herz würde
stehenbleiben.
Ein dunkelblauer Citroën fuhr mit rasender Geschwindigkeit auf der linken
Straßenseite – genau auf ihn zu!
Henry Parker sah das fahle, ovale Gesicht und die dunklen, tief in den
Höhlen liegenden Augen. Er bemerkte das helle Pflaster, das einen Teil des
Halses des Fahrers bedeckte. Er erkannte den Mann hinter dem Steuer. Denn er
hatte ihn die ganze Woche über beobachtet.
Das war – Monsieur Canol! Im selben Augenblick erkannte Henry Parker auch
die tödliche Gefahr, in der er schwebte.
Canol wollte ihn umbringen.
Wie ein Geschoss jagte der Citroën auf ihn zu ...
●
Die vierstrahlige TWA-Maschine rollte langsam aus. Sie kam im Nonstopflug
aus New York. An Bord befanden sich hundertzwanzig Passagiere. Unter den
zahlreichen Geschäftsreisenden, zurückkehrenden französischen Touristen und neu
eintreffenden amerikanischen, befand sich ein Mann namens – Larry Brent.
Auch er kam als Tourist.
Im Gegensatz zu den meisten Amerikanern, die nach Frankreich kamen, um
Paris kennenzulernen, hatte er jedoch den Wunsch, die kleinen Städte und die
Provence zu sehen. Von Frankreich aus sollte sein Europatrip dann nach England,
Deutschland und schließlich in die
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