001 - Im Zeichen des Bösen
unentdeckt zu bleiben, während sie sonst früher oder später ihren Verfolgern in die Hände fallen würde. Wenn sich Dorian ihrer jedoch entledigte, konnte er die Dämonen ablenken und in die Irre führen.
Dorian schob die Grabplatte vor die Öffnung, ließ jedoch einen kleinen Spalt offen, damit Lilian Luft bekam. Wenn am nächsten Tag der Spuk vorbei war, würde er sie abholen, aber nicht, ohne vorher dieser ganzen Sippschaft von Vampiren Holzpflöcke durch die Herzen getrieben zu haben. Er würde sie alle ausrotten.
Hinter ihm wurden die Schreie und das Gepolter immer lauter.
Noch ein letztes Mal prägte er sich die Inschrift der Gruft ein, in der er Lilian versteckt hatte. Ambrosius von Lethian.
Gleich darauf trat Dorian durch einen Torbogen aus der Grabkammer. Vor ihm lag wieder undurchdringliche Finsternis. Er entfachte kurz das Feuerzeug und steckte es wieder weg, nachdem er links von sich eine Steintreppe erblickt hatte, die in die Höhe führte. Er hatte nicht die nötige Zeit zur Verfügung, um nach einem Weg ins Freie zu suchen; ihm blieb keine andere Wahl, als wieder ins Schloß zurückzukehren. Dort konnte er wenigstens hoffen, durch eines der Fenster im Erdgeschoß flüchten zu können.
Von neuer Hoffnung erfüllt, hastete er die Treppe hoch. Er stolperte, raffte sich aber gleich wieder auf. Seine Knie, die er sich an den scharfen Steinkanten angeschlagen hatte, schmerzten bei jedem Schritt höllisch, und die Hautabschürfungen an den Händen und im Gesicht brannten wie Feuer, aber er achtete nicht darauf. Er mußte aus dem Schloß, egal was es kostete. Er wußte zwar nicht, ob er im Freien in Sicherheit war, aber schlimmer als hier konnte es kaum werden.
Als er einen Treppenabsatz erreichte, versperrte ihm eine Tür den Weg. Zu seinem Glück war sie nicht verschlossen. Er öffnete sie und wollte sie hinter sich verriegeln, aber das Holz war so morsch, daß er den schweren Riegel durch die heftige Bewegung aus der Halterung riß. Er brauchte dringend eine Verschnaufpause. Wenn es ihm nur gelang, seine Verfolger für einige Minuten aufzuhalten, damit er ausruhen und sich seine nächsten Schritte überlegen konnte!
In seiner Verzweiflung versuchte er, die Tür in Brand zu setzen, aber in der Kellerregion war es sehr feucht; das Holz der Tür zündete nicht. Im Schein der Feuerzeugflamme suchte Dorian nach etwas Brennbarem, doch um ihn herum war nur nackter, nasser Stein. Die Fackel mußte ihm reichen. Sollte er sie für den Zeitgewinn von einigen Minuten opfern? Irgend etwas mußte er tun, um die wilde Meute der Dämonen aufzuhalten, und am wirksamsten waren Feuer und magische Zeichen. Er kam auf den Gedanken, Teile der Fackel abzuspalten und einen Drudenfuß daraus zu formen. Obwohl er mit fliegender Hast arbeitete, hätte er es beinahe nicht geschafft. Als er gerade fertig war, hörte er wenige Meter vor sich ein schauriges Triumphgeheul. Er ließ sein Feuerzeug aufflammen und setzte den Drudenfuß in Brand.
Die Dämonen wichen schreiend vor dem brennenden Pentagramm zurück. Da waren der Vampir Frederic de Buer, der Wolfsmensch Jörg Eklund und zwischen ihnen ein formloses, gallertartiges Wesen, das zu anderen Zeiten die Gestalt des Leichenbestatters Edward Belial besaß. Die rasenden Bestien wurden von einander widersprechenden Empfindungen hin und her gerissen. Einerseits gerieten sie beim Anblick ihres zum Greifen nahen Opfers in Verzückung, andererseits verursachte ihnen die magische Kraft des brennenden Drudenfußes Übelkeit und trieb sie zurück. Sie konnten diese Barriere nicht überwinden.
Dorian atmete auf. Er verhöhnte die hilflos dastehenden Dämonen mit wildem Gelächter, nahm den Rest der Fackel an sich und kehrte ihnen den Rücken zu. Ungehindert kam er aus dem Keller ins Schloß. Dort oben war der Hexensabbat bereits in vollem Gange. Ein schauriger Wind heulte durch die Gänge. Geschöpfe, halb Mensch, halb Tier, veranstalteten eine wilde Jagd; Monstren, die aus einem Alptraum zu stammen schienen, gaben sich ein unheimliches Stelldichein.
Dorian wurde in diesen Reigen mit hineingerissen, ohne daß er sich dagegen wehren konnte. Ein Schatten, der die Umrisse eines Menschen besaß, ergriff ihn und trieb mit ihm ein diabolisches Spiel.
Um Dorian begann sich alles zu drehen. Er sah nackte Frauen mit Schwänzen, die in Schlangenköpfen endeten. Der Schatten stieß ihn in ihre Mitte. Die nackten Quälgeister setzten sich auf ihn, überschütteten ihn mit Obszönitäten und
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