001 - Im Zeichen des Bösen
Die Dämonen fürchteten das Feuer wie die Pest. Er mußte nur darauf achten, daß es nicht erlosch. Ein heftiger Windstoß fegte durch das Fenster ins Zimmer und fuhr durch den Kamin wieder hinaus. Dorian breitete schützend sein Sakko über die Flammen, die durch den Luftzug fast erstickt waren. Dann griff er rasch nach einem Stuhl und schlug ihn so lange gegen die Wand, bis er zersplitterte. Zuerst warf er die Späne, dann die größeren Trümmerstücke in den Kamin.
Im Nu war ein prasselndes Feuer in Gang. Er lächelte grimmig. Dieses Feuer würden die Dämonen nie ausblasen können. Aber damit allein wollte er sich noch nicht begnügen. Er würde sich in diesem Zimmer verbarrikadieren.
Zuerst zertrümmerte er alle anderen Sessel, die sich im Zimmer befanden, und warf sie bis auf die Stuhlbeine in den Kamin. Diese schichtete er anschließend übereinander. Sie waren ein guter Ersatz für die Pfähle, die man den Vampiren durch die Herzen trieb. Als Hammer sollte ihm eine Keule dienen, die unter einem Wappenschild an der Wand hing. Außer dieser Keule entdeckte er auch noch einen dreißig Zentimeter langen Krummdolch. Er steckte ihn in seinen Hosenbund.
Dorian arbeitete fieberhaft. Er fürchtete die Angriffe der Dämonen nicht mehr, denn er wußte nun, daß die überlieferten Abwehrmittel tatsächlich wirksam waren. Aus dem Kamin holte er einen glimmenden Holzscheit und trat solange darauf herum, bis er nicht mehr glühte, sondern schwarz und rußig war. Dann ging er mit dem Scheit zu dem schweren Vorhang am Fenster, malte mit Ruß auf die Außenseite einen großen Drudenfuß und zog den Vorhang vor.
In diesem Augenblick überfiel ihn ein seltsamer Wunsch: Stürze dich aus dem Fenster, dann haben alle Sorgen ein Ende! flüsterte ihm eine Stimme zu.
Warum nicht? fragte er sich. Fliegen wie ein Vogel. Frei sein wie ein Vogel. Sorglos sein wie die Toten.
Nein, nur nicht sterben!
Er wich in panischen Schrecken zurück, ergriff den Vorhang mit beiden Händen und spannte ihn so, daß das Drudenkreuz zu erkennen war. Sofort fiel der fremde Zwang von ihm ab. Dieser Zwischenfall zeigte ihm, daß er noch viel mehr Schutzmaßnahmen ergreifen mußte. Er malte mit dem verkohlten Holzscheit auf alle Wände Kreuze. Während seiner Tätigkeit erbebte der Boden unter seinen Füßen. Noch immer war der Einfluß der Dämonen zu spüren. Dorian stolperte über Hindernisse, die er nicht sehen konnte.
Ein schwerer Schrank kippte um und hätte ihn fast unter sich begraben, ein Gemälde löste sich von der Wand und erschlug ihn beinahe.
Dorian drehte das Bild um und malte auf den weißen Hintergrund einen dicken Drudenfuß. Ein Tischtuch riß er in schmale Streifen, mit deren Hilfe er aus den Stuhlbeinen Kreuze fertigte, die er im Zimmer verteilte. Aus dem umgestürzten Schrank riß er die Fächer und Türen heraus und warf sie ins Kaminfeuer. »Ich werde diese Nacht überleben!« schrie er aus voller Kehle. »Und dann gnade euch Gott!«
Dorian sollte diese überheblichen Worte rasch bereuen. Es schien, als wollten die Dämonen die Herausforderung annehmen. Plötzlich riß ein Sturm den Vorhang mit dem Drudenfuß von der Stange und trieb ihn wie einen fliegenden Teppich in die Nacht hinaus. Die Wände des Zimmers bekamen Sprünge, und der Verputz rieselte herab, so daß die aufgemalten Kreuze zerflossen. Durch den Kamin polterten Mauerbrocken und verstopften den Abzug. Dicker Rauch quoll ins Zimmer, und das Feuer fiel immer mehr in sich zusammen.
Auch die Kreuze, die Dorian mühsam zusammengebunden hatte, entwickelten ein Eigenleben: Sie sprengten die Verschnürung und fielen auseinander. Dorian packte zwei der Stuhlbeine und schlug um sich. Der Rauch blockierte seine Atemwege. Er hustete. Eine unsichtbare Schlinge schien sich um seine Kehle zu legen und sie zusammenzuschnüren. In einem Winkel des Zimmers zuckte ein Lichtblitz auf, und ein Irrwisch fuhr ihm in die Augen und blendete ihn.
Eisige Kälte stieg vom Boden auf und kroch seine Beine hoch. Er spürte die beginnende Lähmung, die sich durch seine Glieder schlich und sich seinem Herzen näherte. Schließlich gelang es ihm, zwei Stuhlbeine zu einem Kreuz übereinander zu legen, doch das brachte ihm nur eine vorübergehende Erleichterung. Die Macht, die sich auf ihn gestürzt hatte, war um ein vielfaches stärker als die magische Kraft eines ungeweihten Kreuzes. Seine Hände wurden wieder auseinandergerissen.
»Du hast es nicht anders gewollt«, dröhnte eine wesenlose
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