001 - Im Zeichen des Bösen
Stimme zu ihm herüber, und er wußte plötzlich, daß der allmächtige Fürst der Finsternis zu ihm sprach. »Ich habe bis jetzt deinem Treiben zugesehen, aber nun kann ich nicht mehr dulden, daß du mich länger verhöhnst. Ich selbst werde es sein, der dir die Seele aus dem Leibe reißt.«
Dorian stand wie gelähmt da, als ein Krachen und Bersten ertönte und eine Gestalt ins Zimmer getaumelt kam. Augenblicklich wich die tödliche Kälte aus seinem Körper. Sein Blick wurde wieder klar, und er erkannte Vukujev. Er wollte dem Geistesgestörten für die Rettung in letzter Sekunde danken, als dieser mit sich überschlagender Stimme rief: »Dafür töte ich Sie!«
Der Irre sprang Dorian an, und sie landeten beide auf dem Boden.
Vukujev lag auf ihm und legte ihm die Hände um den Hals. Dorian hatte nicht mehr die Kraft, sich aus dem Würgegriff zu befreien. Der vorangegangene Kampf mit den Dämonen hatte ihn zu sehr erschöpft. Dazu kam noch die Überraschung. Er konnte sich nicht vorstellen, was in Vukujev gefahren sein mochte.
»Das ist für Anja – und für die Gräfin«, stammelte Vukujev und drückte fester zu.
Dorian sah wie durch einen Schleier das verzerrte Gesicht des Irren.
Vukujev schluchzte. Speichel rann ihm aus dem Mund, und Tränen kullerten aus seinen Augen. Er blickte auf die Überreste der Hexe und sagte mit erstickter Stimme: »Ich räche Sie, Gräfin!«
Dorian bäumte sich noch einmal auf. Und da sah er, wie ein blasses, entstelltes Oval neben ihm auftauchte. »Vuk – nicht!«
»Anja!«
Der Druck an Dorians Kehle ließ nach. Dorian nutzte die Gelegenheit, um den Irren abzuschütteln. Er trat ihn mit den Füßen, daß er weit nach hinten flog. Dann rappelte er sich rasch hoch, und zog den Krummdolch aus der Scheide. Ein spitzer Schrei gellte durchs Zimmer. Dorian hielt ernüchtert inne. Betroffen blickte er auf das halbnackte Mädchen hinunter, das auf dem Boden kauerte und den Kopf zwischen den Hände barg. Er sah ihren zerschundenen Körper und begriff.
»Ich war es nicht, Vuk«, sagte er zu dem Geistesgestörten, der inzwischen wieder auf die Beine gekommen war und Anstalten machte, sich erneut auf ihn zu stürzen. »Ich schwöre, daß ich es nicht war.«
»Es stimmt«, hauchte das Mädchen. Ihr Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt.
Vukujev beugte sich, ohne Dorian aus den Augen zu lassen, zu ihr hinunter. »Wer hat dir das angetan?« fragte er. »Sag mir, wer dich so zugerichtet hat, Anja!«
»Ich – kann nicht.« Sie schüttelte heftig den Kopf hin und her. »Ich schäme mich so. Ich möchte sterben.«
»Es war der Teufel in Person«, sagte Dorian.
Anja schrie auf und hielt sich die Ohren zu, aber Dorian ließ nicht locker. »Sagen Sie ihm, was wirklich passiert ist, Mädchen!« drängte er sie. »Vuk sieht und hört nicht, was um ihn herum vorgeht. Er hat überhaupt keine Ahnung.«
Das Mädchen hob langsam den Kopf. Die Schwellungen hatten ihre Augen fast ganz geschlossen; sie konnte nur durch schmale Schlitze sehen. »Hast du mich hergebracht, Vuk?« fragte sie. »Sag mir, ob du mich nur bewußtlos geschlagen hast, um mich in diese Folterkammer zu bringen?«
»Ihn trifft keine Schuld«, sagte Dorian. »Er merkt nichts von dem Grauen um uns her. Die Dämonen haben Angst vor seinem kranken Geist, sie flüchten vor ihm. In Vuks Nähe sind Sie sicher, Anja.«
Aber sie schien ihn überhaupt nicht zu hören. »Du Scheusal hast mich hergeschleppt!« sagte sie mit leiser Stimme, die jedoch kalt und voller Haß war. Plötzlich fuhr sie Vukujev mit beiden Händen ins Gesicht, und ihre Nägel hinterließen lange, blutige Spuren darin.
»Ich wollte nichts Böses«, beteuerte Vukujev.
»Nichts Böses!« wiederholte Anja. »Dann sieh mich einmal an!
Schlimmeres hätte mir nicht widerfahren können.«
Sie erhob sich, taumelte einige Schritte und mußte sich stützen.
Dorian bückte sich nach dem Umhang, der der Gräfin von der Schulter geglitten und zu Boden gefallen war. Aber ein Fuß der Gräfin stand darauf, und als Dorian an dem Umhang zog, zerfiel sie durch die Erschütterung zu Staub. Er legte dem Mädchen den Umhang über die Schultern. Sie zog ihn fest um ihren Körper. Vukujev stand mit offenem Mund da und starrte auf den Stuhl, in dem die leeren Kleider der Gräfin lagen. »Warum kann ich sie nicht mehr sehen?« fragte er verwundert. »Warum verbirgt sie sich schon wieder vor mir?«
»Sie war eine Hexe«, erklärte Dorian. »Sie war es auch, die Anja all das
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