001 - Im Zeichen des Bösen
geöffnet war. Ambrosius von Lethian , stand auf der Steinplatte. Es war jene Gruft, in der er Lilian versteckt hatte. Die Vampire griffen jetzt mit ihren Klauen in den Spalt und versuchten, ihr Opfer zu packen.
»Lilian!«
Das Bild zerrann. Dorian befand sich wieder in dem Zimmer mit der Hexe. Sie lag still in ihrem Sessel. Ihr Gesicht wirkte wie mumifiziert. Sie war tot, und mit ihrem Ende war auch Lilian aus ihrer Trance erwacht. Dorian fühlte das, und während um ihn herum die Hölle losbrach, als die Dämonen ihn erneut angriffen, konnte er nur an seine Frau denken, die in diesen Augenblicken furchtbare Qualen auszustehen haben mußte.
Sie erwachte aus einem langen, tiefen Schlaf. Als sie sich umdrehen wollte, stieß sie auf einen Widerstand, auf einen kalten, harten Widerstand. Sie riß in panischem Entsetzen die Augen auf und tastete ängstlich um sich. Sie war lebendig begraben! Lilian schrie. Wie ein vielfältig verzerrtes Echo drangen schaurige Laute als Antwort zu ihr herein. Sie drehte den Kopf herum und sah vor sich einen schmalen Spalt, durch den ein schwacher Lichtschein fiel. Dahinter waren Schatten. Einer dieser Schatten griff jetzt in ihr Gefängnis. Es war eine knochige Hand mit langen, schwarzen Fingernägeln. Krallen! Lilian schrie wieder und schlug in ihrer Angst mit ihrer kleinen Faust auf die Krallenhand. Die Hand zog sich zurück, doch die Steinplatte glitt weiter auf. Dahinter lauerte eine Teufelsfratze. Kleine, glühende Augen starrten sie aus schwarzen Löchern an. Blutleere Lippen öffneten sich geifernd und entblößten faule Zähne. Zwei lange, spitze Hauer ragten hervor. Das Maul preßte sich gegen die immer größer werdende Öffnung, und ein furchtbarer Gestank nach Fäulnis und Verwesung schlug Lilian entgegen. Ihr Magen rebellierte, als der stinkende, heiße Atem sie traf. Sie hätte sich erbrochen, wenn ihre Kehle nicht wie zugeschnürt gewesen wäre. So aber kam nur ein ersticktes Glucksen aus ihrem Rachen.
Sie war überzeugt, daß sie träumte. Das konnte nur ein Traum sein. Gleich würde sie erwachen. Dorian, wecke mich! dachte sie.
Bitte, bitte, rüttle mich wach!
Aber die erlösende Berührung blieb aus, die sanften, beruhigenden Worte blieben unausgesprochen, und der furchtbare Traum ging weiter. Lilian drängte sich tiefer in ihr Gefängnis, kauerte sich zusammen, um sich ganz klein zu machen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich die knöcherne Hand zu ihr herüber tastete. Jetzt berührte sie ihr Haar. Angeekelt senkte sie den Kopf tiefer auf die Brust. Aber die Knochenhand wurde immer länger. Die Finger erzeugten ein knisterndes Geräusch und krallten sich dann an ihr fest.
Sie zerrten an ihren Haarwurzeln, und Lilian durchzuckte ein Schmerz, als ob tausend Nadeln ihre Kopfhaut durchbohren würden. Die Hand des furchtbaren Ungeheuers zog sie zu sich. Lilian stemmte sich mit den Händen gegen die Seitenwand, aber sie hatte nicht die Kraft, sich dem kräftigen Zug zu widersetzen. Sie mußte nachgeben, um den Schmerz zu mildern, der bis in ihr Gehirn vordrang.
Vor der Öffnung lauerten die gespenstischen Bestien. Sie spürte ihren heißen Atem schon in ihrem Nacken. »O mein Gott, hilf mir!«
Sie schluchzte erleichtert, als das Zerren an ihren Haaren plötzlich nachließ. Aber da tasteten sich schon neue Hände zu ihr herein, zogen an ihren Ohren und zerkratzten ihr Gesicht. Scharfe Nägel bohrten sich in ihr Fleisch, brachten ihr blutende Wunden bei.
Jemand schrie markerschütternd. Der Schrei war unwirklich, klang hohl und wie aus weiter Ferne und war gleichzeitig überall in Lilians Körper; er pflanzte sich vibrierend bis zu ihren Zehenspitzen fort. Da erst merkte sie, daß sie es war, die schrie. Sie konnte nicht mehr damit aufhören. Sie brauchte nicht mehr Atem zu schöpfen.
Ihr Schrei war endlos. Langsam glitt ihr Kopf durch die Öffnung hinaus ins Freie. Sie starrte aus weit geöffneten Augen zu Fratzen auf, die geifernd auf sie herunterblickten. Laute, wie sie sie noch nie gehört hatte, drangen an ihr Ohr; Laute, die sie auch nicht mit ihrem Schrei übertönen konnte. Sie wurde aufgerichtet und gegen eine Wand gelehnt, aber ihre Beine besaßen keine Kraft. Sie rutschte langsam an der Wand zu Boden.
Die unheimlichen Gestalten kamen näher. Eine Hand fuhr ihr in den Mund und zog ihr die Unterlippe nach unten, eine andere umfaßte ihre Brust und drückte sie, als wollte sie sie zerquetschen.
Hände griffen ihr in den Nacken und bogen ihr den Kopf
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