001 - Vampire unter uns
es tun.«
»Nein!«
»Ja.«
Das Öffnen der Tür.
»Hallo, Pet! Du kommst früh …«
Und wie eine Befreiung aus diesem Monolog meine Stimme:
»Hallo, Martha.«
Sie: »Wieder …? Glaubst du, er sei wieder hier gewesen?«
Das Schaltgeräusch nach meinen Schritten.
Nach einer Weile unterbrach ihr Schluchzen die Stille.
»Wenigstens hältst du mich jetzt nicht mehr für verrückt«, sagte ich leise.
»Verzeih mir«, flüsterte sie.
Ich nickte und erhob mich. Unruhig schritt ich auf und ab.
Wo blieb Hammerstocks Anruf? War er ungeduldig geworden und weggefahren? Ich war von nagenden Zweifeln erfüllt.
Als ich in seinem Büro anrief, meldete sich niemand. Aber das mochte nichts bedeuten. Die reguläre Dienstzeit war längst um.
»Wer war es?« fragte ich Martha unvermittelt.
Sie blickte mich aus verweinten Augen an. Es drehte mir das Herz um.
»Willie?« fuhr ich fort. »Willie Martin?«
Sie zuckte die Achseln.
»Wie lebendig ist er noch in dir?«
Sie gab keine Antwort.
»Was wirst du frühestens in einer Woche wissen?« fuhr ich fort. »Und was, vor allen Dingen, hast du dir immer gewünscht?«
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und fuhr über ihr braunes Haar.
Langsam schien sie ihre Fassung wiederzugewinnen.
»Ich bin glücklich mit dir, Pet«, antwortete sie schließlich.
»Ich habe nie einen Gedanken an andere Männer verschwendet. Willie ist nicht lebendiger als andere Erinnerungen auch.«
»Dann ist alles nur ein Traum«, sagte ich.
»Nein«, rief sie heftig und presste ihre Hände an den Schoß.
»Nein, ich spüre deutlich – dass es kein Traum ist …«
Plötzlich empfand ich Mitleid mit ihr – und schämte mich dafür. Ich wollte sie in die Arme nehmen, aber sie wich mir aus.
Bleich sah sie mich an. »Etwas geschieht mit uns, Pet. Ich habe Angst!« Sie brach erneut in Tränen aus. »Mein Gott, ich habe solche Angst!«
Ich fühlte sie auch, diese Angst. Mit einemmal.
»In einer Woche werde ich meine Tage haben«, drang Marthas Stimme in meine wirbelnden Gedanken. Sie sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, in denen tiefstes Erschrecken über eine plötzliche Erkenntnis stand.
»Dann werde ich wissen, ob ich – schwanger bin oder nicht.«
Ich hatte das Verlangen, sie zu beruhigen, ihr zu sagen, wie absurd, wie verrückt ihre Worte waren, aber ich konnte es nicht. Statt dessen lauschte ich wie gebannt, als sie fortfuhr:
»Und ich weiß jetzt auch, was ich mir immer gewünscht habe: Ein Kind von Willie!«
Wir hörten das Band ein dutzendmal an diesem Abend, und immer wieder bedeutete es neue Qual, neues Entsetzen und neue Phantastereien. Und stetig wuchs das Grauen in uns, eine Kälte, die auch nicht schwand, wenn wir einander in den Armen hielten und die physische Wärme des anderen fühlten.
Mehrmals versuchte ich, den Detektiv zu erreichen, doch niemand meldete sich.
Wir sprachen schließlich über Willie Martin, und nach und nach konnte ich mir ein Bild von ihm machen. Wie er ausgesehen hatte, wusste ich ja. Über einsneunzig groß, muskulös, rothaarig.
Aber trotz seiner athletischen Erscheinung wirkte er unsicher.
Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Schließlich hatte ich ihn vor seinem Tod nur ein paarmal kurz gesehen.
Aber was Martha mir nun berichtete, schien diesen Eindruck zu bestätigen. Mehr noch, seine ganze Unsicherheit schien in der Kinderlosigkeit der Ehe mit Martha zu liegen, für deren Ursache er sich selbst hielt. Sie mussten beide sehr darunter gelitten haben – Martha, weil sie hilflos war, und Willie wohl, weil er von der fixen Idee, er sei impotent, besessen war wie von einem Dämon. Und wie von einem Dämon hatte er auch Befreiung gesucht – bei Wunderheilern und Scharlatanen in magischen Zirkeln.
Vergeblich hatte Martha versucht, ihn davon abzubringen.
Dann begann seine Krankheit. Und wenig später kam der Tod.
Ihn kümmerte der Dämon wenig. Mit dem einen erlosch auch das andere.
Kurz vor Mitternacht klingelte das Telefon.
Es war Hammerstock. Endlich! Er war sehr aufgeregt.
»Herr Mertens!« rief er. »Ich habe ihn gesehen. Und was sich hier abspielt, ist unglaublich!«
»Wer ist es?« fragte ich hastig.
Er lachte, oder wenigstens klang es so.
»Das weiß ich noch nicht. Ich hab ihn nur gesehen und bis hierher verfolgt.«
»Können Sie ihn nicht beschreiben?«
»Ein großer Bursche …« Ich hielt den Atem an, als er das sagte. »Sieht ein wenig bleich aus«, fuhr er fort. »Aber das tun
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