001 - Wenn sie aus den Gräbern steigen...
so vor, als würde er in eine andere – unheimliche – Welt treten. Der Nebel kroch über den Boden, tanzte zwischen Grabsteinen und Grabkreuzen. Die Gräber lagen unter milchigen Schlieren. Die Szene hatte eine schauerliche Dichte. Hinter Zypressen und Grabsteinen schien eine tödliche Gefahr zu lauern.
Bernard Hale legte sicherheitshalber die Gnostische Gemme frei, die er an einem Lederriemen um den Hals trug.
»Fühlen Sie etwas, Chao Kai?« fragte der PSI-Professor seinen chinesischen Schüler leise, fast flüsternd.
»Ja. Eine unheimliche Präsenz.«
Bernard Hale rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir nicht. Ich scheine mit meinen Berechnungen nicht ganz richtig zu liegen.«
»Wie meinen Sie das, Professor?«
»Vorsicht!« rief Hale gepreßt, statt auf Chao Kais Frage zu antworten. Er packte den Chinesen und riß ihn zurück. Erst jetzt sah der Schüler die Öffnung im Boden.
»Ein aufgebrochenes Grab«, sagte Chao Kai.
»Ja«, knurrte der Professor. »Und es ist nicht das einzige hier, darauf gehe ich jede Wette ein. Ich glaube, ich hätte in meiner Berechnung die Toleranzgrenze verringern müssen, Chao Kai. Wir sind zu spät gekommen. Was wir verhindern wollten, ist bereits passiert. Die Toten haben ihre Gräber schon verlassen.«
***
»Mr. Rufus!« preßte Martin Weaver heiser hervor. Er schaute den bleichen Mann, der grinsend in der Tür stand, nervös an.
»Sie sind sehr neugierig, Mr. Weaver«, sagte Rufus vorwurfsvoll.
»Ich… ich wollte nicht im Schloß herumschnüffeln. Aber der Schrei …«
»Er hat Sie geweckt.«
»Ja.«
»Und Sie wollten wissen, wer geschrien hat.«
»Ja. Ich dachte, Sie könnten es sein, und ich wollte Ihnen zu Hilfe eilen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Rufus spöttisch.
»Ich… ich hörte ein Poltern«, fuhr Weaver stockend fort. »Es kam von hier unten.«
»Sie begaben sich ins Verlies und fanden dieses Sarglager.«
»Mit den Toten!« sagte Martin Weaver heiser. »Was sind das für Menschen, Mr. Rufus? Es widerstrebt mir, anzunehmen, daß Sie die alle…«
»Was? Daß ich sie umgebracht habe?«
»Ja.«
»Warum scheuen Sie sich, es auszusprechen?« fragte Rufus. »Natürlich habe ich diese Menschen getötet.«
Martin Weaver zuckte heftig zusammen. »Das geben Sie so ohne weiteres zu?«
»Mein lieber Weaver, Sie wissen noch nicht, mit wem Sie es zu tun haben! Aber da Sie schon einen Teil meines Geheimnisses kennen, will ich Ihnen gern mehr verraten. Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Dämon und habe viele Gesichter. Das, welches sie jetzt sehen, ist nur eines davon. Ich habe mich in dieses Schloß eingenistet, um eine Attacke des Bösen vorzubereiten. Ich habe die Toten, die in ihren Gräbern auf ihre Wiedererweckung warten, herausgeholt und setze sie gegen die Menschen ein.«
»Und was ist mit diesen Leichen?« fragte Weaver und wies auf die schwarzen Särge.
Er glaubte, den Verstand verloren zu haben. Diesem furchtbaren Horror war er kaum noch gewachsen. Immer wieder dachte er an Maud, die oben allein im Zimmer war.
Und es gab Zombies!
Vielleicht befanden sie sich in diesem Moment gerade auf dem Weg zu Maud!
»Die bleiben hier vorläufig noch liegen«, sagte Rufus. »Sie setze ich erst ein, wenn sie vollzählig sind.«
»Sie meinen, wenn alle zwanzig Särge belegt sind?«
»Genau.«
»Dann… dann werden Sie also noch zwölf Menschen umbringen.«
Rufus grinste. »Nein, Mr. Weaver. Das werde nun nicht mehr ich tun, sondern Sie, denn Sie sind ab heute mein Vertreter.«
Martin Weaver schnürte es die Kehle zu. »Ich… ich kann keiner Fliege etwas zuleide tun.«
»Das wird sich rasch ändern«, sagte Rufus. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Ihnen lieber ist, selbst einen dieser Särge zu füllen. Und Ihre Frau…«
»Ich flehe Sie an, tun Sie Maud nichts!« krächzte Weaver.
»Es wird euch beiden nichts geschehen. Ihr werdet zu einem Teil von mir werden. Ich muß ins Schattenreich. Wichtige Dinge sind da zu erledigen. Sie dulden keinen Aufschub. Deshalb brauche ich jemanden, der mich während meiner Abwesenheit hier vertritt. Ihr kamt gerade im richtigen Moment. Es wird eure Aufgabe sein, die restlichen Särge mit Leichen zu belegen. Meine Kraft, die in euch wohnen wird, wird es euch möglich machen, Opfer zu finden. Und die Zombies werden euch genauso gehorchen wie mir.«
Da, wo Rufus stand, begann mit einemmal die Luft zu flimmern.
Aus dem bleichen Mann wurde ein Skelett, das eine schwarze Kutte mit
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