0010 - Das würgende Skelett
sich schwach und elend. Der Mut verließ ihn. Er wollte umkehren, dieses unheimliche Kabinett fluchtartig verlassen, doch er fand den Ausgang nicht mehr.
Böse Mächte waren hier am Werk.
Vier Streichhölzer hatte Haxford schon verbraucht, denn er fürchtete nichts so sehr wie die schreckliche Dunkelheit.
Er fühlte sich beobachtet. Tausend Augen schienen auf ihm zu ruhen, und er bildete sich ein, nicht das einzige Lebewesen hier drinnen zu sein.
Als das fünfte Streichholz erlosch, strich ihm etwas Kaltes über das Gesicht. Die Hand eines Toten. Ein furchtbares Grauen packte den Jungen. Er ließ die Streichhölzer fallen und fand sie in seiner Aufregung nicht sofort wieder.
Etwas sauste durch die Luft, als er sich bückte. Es sauste über ihn hinweg. Dann war ein dumpfes Tacken zu hören und ein summendes Vibrieren.
Unwillkürlich dachte Jo Haxford an einen kraftvoll geschleuderten Speer, der ihn knapp verfehlt hatte und in irgendeine Holzwand gedrungen war.
Haxford hatte das Gefühl, in eine Treibjagd des Teufels geraten zu sein. Und er war das Wild, das erlegt werden sollte.
Mit zitternden Fingern suchte er den Boden nach seinen Streichhölzern ab.
Schweiß quoll aus seinen Poren und rann zu beiden Seiten an seinem heißen Gesicht herab.
Er nahm sich nicht die Zeit, die Schweißperlen wegzuwischen, suchte verzweifelt weiter nach seinen Streichhölzern, denn die Dunkelheit machte ihn halb wahnsinnig vor Angst.
Ein Zischen erschreckte ihn bis ins Knochenmark hinein.
Es hörte sich an wie das Zischen einer Schlange.
Ehe er zurückzucken konnte, schlug ihm das Reptil schon seine Zähne in das Handgelenk.
Jo Haxford brüllte laut vor Schmerz auf. Er riß die Hand zurück.
Die Schlange hing an seinem Gelenk. Er schüttelte sie angewidert ab. Ihr Körper flog davon. Irgendwo klatschte sie auf den Boden.
Mit pochenden Schmerzen im Handgelenk suchte Jo Haxford noch verzweifelter nach seinem Streichholzbriefchen.
Endlich fand er es.
Keuchend richtete er sich auf.
Er schluckte die würgende Angst hinunter und riß das nächste Hölzchen an. Er hielt es so, daß er sein schmerzendes Handgelenk untersuchen konnte. Verblüfft stellte er fest, daß keine Bißwunde zu sehen war.
Hatte er sich bloß eingebildet, von einer Schlange gebissen worden zu sein?
Aber der Schmerz! Hatte er sich den etwa auch nur eingebildet?
Was war los mit ihm? War er übergeschnappt? Spielte ihm sein Geist diese grauenvollen Streiche? Welche Welt durchwanderte er?
Die reale? Die irreale? Er vermochte es nicht mehr klar zu erkennen.
Hier drin verwischte sich alles. Was draußen Gültigkeit hatte, brauchte hier drinnen noch lange nicht zu stimmen. Es war wahrlich ein unheimliches Kuriositätenkabinett.
Schaudernd zuckte Haxford zusammen, als plötzlich jemand leise zu lachen begann. Dieses Lachen klang höhnisch und teuflisch zugleich.
Der Footballspieler drehte sich im Kreis. Wer lachte hier?
Halb ohnmächtig vor Angst ging Haxford mit steifen Schritten weiter.
Da hörte er plötzlich jemanden ganz in seiner Nähe atmen.
Er ließ ein neues Streichholz aufflammen. Es war das vorletzte.
Und dann? Was würde dann kommen? Finsternis. Unheimliche, grauenerregende Finsternis. Von drohendem Unheil geschwängert.
Dort war der Speer.
Jemand mußte ihn nach ihm geschleudert haben. In der Absicht, ihn zu töten.
Schlagartig wurde Haxford kalt. Er konnte nicht verhindern, daß seine Zähne heftig aufeinanderklapperten.
Aus der Finsternis glühte ihn ein bernsteinfarbenes Augenpaar an.
Benommen wich er zurück.
Etwas fauchte. Das Augenpaar kam näher, wurde größer. Als das vorletzte Streichholz abgebrannt war, als es wieder stockdunkel war, flog das glühende Augenpaar auf ihn zu.
Haxford schnellte schreiend zurück.
Mit dem Rücken stieß er gegen einen leblosen Körper. Bestürzt kreiselte er herum. Da baumelte etwas.
Ein Gehenkter.
Der Footballspieler riß sein letztes Streichholz an. Da prallte er mit einem wahnsinnigen Schrei zurück. Mit weit aufgerissenem Mund brüllte er. Sein von Angst und Grauen verzerrtes Gesicht war rot.
Die Adern traten weit aus seinem Hals. Die Augen quollen aus den Höhlen.
Er stand vor einem Galgen, an dem ein Mann hing.
Und dieser Gehenkte war er!
***
Erst hatte sich Marion Spencer um die schmerzhaften Wunden ihres Freundes gekümmert. Sie hatte ihn mit zu sich nach Hause genommen, seine Verletzungen mit Wundbenzin gereinigt und blutstillendes Pulver darauf getan. Dann hatte sie tüchtig
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