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0011 - Das Todesschloß

0011 - Das Todesschloß

Titel: 0011 - Das Todesschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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tauchte auch der Earl im Zimmer auf. In seinem knielangen hellblauen Nachthemd sah er wenig beeindruckend aus.
    Doch er verschaffte sich sofort Respekt, indem er Winston einfach beiseite drückte. Endlich überblickte auch Gladys die Situation wieder. Sie hob ihren Kopf.
    »Er war hier, Paps«, sagte sie, und als der Earl sie nur entgeistert anblickte, erklärte sie: »Ein Gespenst war hier. Es hat mich bedroht.«
    Der Earl stand noch eine halbe Sekunde unschlüssig, doch dann tappte er auf seine Tochter zu.
    »Du hast schlecht geträumt, Kind. Vergiß es wieder. Du siehst ja, es ist nichts passiert.«
    »Er hatte nur ein Auge«, rief Gladys. »Genau wie Meredith. Ein Auge hatte er nur.«
    »Nun beruhige dich doch, Kind«, sagte der Earl und schob schützend seine Arme um die bebenden Schultern seiner Tochter. »Du mußt wieder schlafen. Du willst doch hübsch sein, wenn du deine Verlobung feierst.«
    Seine Worte hatten beruhigend wirken sollen, doch sie erfüllten ihren Zweck nicht.
    Professor Zamorra drückte den Earl sanft zur Seite.
    »Gladys«, sagte Zamorra, »jeder träumt mal schlecht. Sie sollten Ihren Traum möglichst schnell vergessen. Wenn morgen die Sonne scheint, sieht alles ganz anders aus. Ich mache jetzt das Fenster zu. Dann kann Ihnen nichts mehr passieren.«
    Langsam beruhigte sich Gladys. Ihre anfängliche Hysterie klang ab, und sie erinnerte sich in der Gegenwart der drei Männer daran, daß sie ja eigentlich ein sehr emanzipiertes Mädchen war. Ein Mädchen, das vor Geistern keine Angst haben durfte, weil es sie schließlich ja auch gar nicht gab.
    Nachdem sie sich zu dieser Gewißheit durchgerungen hatte, ging auch ihr Atem wieder flacher, und sie brachte eine Art müdes Lächeln zustande. Sie schaute Professor Zamorra an.
    »Ich habe mich wohl aufgeführt wie ein kleines Schulmädchen«, sagte sie. »Es tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe.«
    »Sie haben mich nicht geweckt, Gladys«, sagte Professor Zamorra.
    »Jeder hat das Recht zu träumen, was er will. Ihre Träume waren nicht sehr schön, doch ich bin überzeugt, daß Sie den Rest der Nacht glücklich schlafen werden.«
    »Sie haben eine Art, Professor, da muß man ja beruhigt sein.«
    »Sprechen wir morgen über Ihren Traum?«
    »Damit Sie sich totlachen können?« Gladys legte sich in ihr Kissen zurück, und Winston kam sich ziemlich deplaziert vor.
    Der Earl hatte erkannt, wie beruhigend sich Zamorras Worte auf das Mädchen ausgewirkt hatten, und verließ als erster den Raum.
    Seinen Schwiegersohn in spe zupfte er sacht am Ärmel und nahm ihn mit.
    »Morgen bin ich wieder ganz in Ordnung«, versprach Gladys, und Zamorra drückte noch einmal sanft ihre Hand, bevor er dem Earl nach draußen folgte und die Tür hinter sich schloß.
    Winston verabschiedete sich ebenfalls.
    »Wer ist Meredith?« fragte Professor Zamorra den Earl.
    »Meredith?« fragte der Earl zurück. »Meredith Gloombstone ist unser Nachbar. Ich mag ihn nicht besonders. Er trinkt nichts.«
    »Er ist der jetzige Besitzer jenes Anwesens, das man auch die Schwarze Burg nennt?«
    »Hm. Ihm gehört die Bruchbude. Ich mußte ihn sogar zur Verlobung einladen. Schließlich ist er unser Nachbar.«
    »Und er hat nur ein Auge?«
    »Hm«, brummte der Earl nochmals, »alle männlichen Gloombstones hatten nur ein Auge. Darwin hat das in seiner Vererbungslehre nicht vorgesehen. Auch bei den modernen Wissenschaftlern sind fehlende linke Augen als Vererbungsmerkmal nicht bekannt. Aber bei den Gloombstones ist es so. Meredith scheint der letzte Sproß der Familie zu werden. Sie werden ihn übrigens morgen beim Lunch kennenlernen. Ich habe ihn eingeladen. Unsere Ländereien sind miteinander wie ein Uhrwerk verzahnt. Ich möchte mit ihm über Gebietsverteilungen verhandeln.«
    »Sie sagen, Meredith Gloombstone sei der letzte Sproß seiner Familie. Er ist also nicht verheiratet?«
    »Richtig, und das ist kein Wunder. Sie werden ihn morgen mittag erleben. Etwas Dekadenteres ist Ihnen bestimmt noch nicht über den Weg gelaufen. Dabei muß der Bursche Geld wie Heu haben. Aber zu einer Frau hat er es bis heute noch nicht gebracht. Und ich prophezeie Ihnen: Er wird es auch nie zu einer Frau bringen.«
    ***
    Meredith Gloombstone war in der Tat ein seltsamer Mensch. Er mochte um die vierzig Jahre alt sein, doch er wirkte auf einen oberflächlichen Betrachter wesentlich jünger. Er war schon eine knappe Stunde vor dem Mittagessen gekommen und hatte sich mit dem Earl gleich darauf in das

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