0011 - Das Todesschloß
überhaupt so wetterfühlig. Vielleicht hängt das mit dem Mond zusammen. Das soll es ja geben. Besonders schlimm wird es, wenn Vollmond kommt, so wie jetzt wieder. Da werde ich unruhig. Ich weiß auch nicht, wie ich Ihnen das erklären soll.«
»Es ist, als ob Sie nicht mehr Sie selbst wären«, sagte Professor Zamorra aufs Geratewohl.
Meredith Gloombstones runder Kopf fuhr hoch. »Genau. Das ist es. Woher wissen Sie…?«
»Eine reine Vermutung. Eine besondere Form der Wetterfühligkeit. Jeder Arzt kann sie mit Medikamenten behandeln.«
Professor Zamorra wußte, daß er die Unwahrheit gesagt hatte. Die Gründe für Gloombstones Unpäßlichkeit lagen tiefer. Viel tiefer.
Vielleicht in den Urtiefen der Hölle und in den Niederungen Schwarzer Magie.
»Mögen Sie Pfefferminzlikör?« fragte Meredith Gloombstone unvermittelt und angelte eine Flasche mit grünem Inhalt aus einem Fach seines Schreibtisches. Dazu brachte er noch zwei Gläser zum Vorschein.
»Aber gern«, meinte Zamorra, obwohl er dieses süße Zeug nicht ausstehen konnte. Aber er wollte Meredith für sich gewinnen und ihn unauffällig aushorchen.
»Ich habe auch noch Scotch hier.«
»Nein, danke. Ich trinke zwischendurch auch mal Pfefferminzlikör. Ich finde, man kann so vorzüglich plaudern dabei.«
»Sehen Sie, das finde ich auch.«
Meredith Gloombstone schenkte die beiden Gläser voll. Zamorras Gaumen sträubte sich gegen den Geschmack, doch der Professor schluckte das klebrige Zeug hinunter und brachte sogar etwas wie ein genüßliches Lächeln zustande.
»Herrlich«, sagte er.
»Darf ich noch mal nachschenken?«
»Ja, bitte sehr. Ich habe selten einen so auserlesenen Likör getrunken.«
Meredith Gloombstone lächelte zufrieden. »Es gibt nicht viele Männer mit Geschmack«, meinte er und schenkte voll.
Professor Zamorra rutschte in seinem Besuchersessel hoch. »Sie haben es überhaupt sehr hübsch hier. Ihre Bibliothek ist sicher sehr wertvoll. Bestimmt haben Sie auch alte Folianten, die man sogar in der Königlichen Bibliothek im Buckingham Palast vergeblich suchen würde.«
»Einige Raritäten habe ich sicher«, lächelte Gloombstone selbstzufrieden. »Doch die wertvollsten Schätze des Hauses sind in den Kellerräumen aufbewahrt. Ich selbst habe mich noch nie so sehr mit diesen Dingen beschäftigt.«
»Bücher?«
»Über Magie. Sie stammen aus der Hinterlassenschaft Ebenezer Gloombstones. Ich habe gestern schon mal kurz über ihn gesprochen. Sie erinnern sich?«
»Ja, das tue ich.«
Meredith Gloombstone griff wieder nach dem Glas. Professor Zamorra folgte seinem Beispiel. Der Burgherr nickte ihm zu. Sie tranken.
Meredith lehnte sich zurück. Der Alkohol hatte ihm etwas seiner Blässe genommen. Er verschränkte die Arme vor seinem Bauchansatz. »Wenn es Sie interessiert, erzähle ich Ihnen gern mehr von meinen Vorfahren. Viel weiß ich ja nicht darüber, aber dieses wenige gebe ich gern weiter. Ich finde unsere Unterhaltung überhaupt sehr anregend. Meine sonstigen Bekannten sprechen immer nur über Golf mit mir. Ich weiß auch nicht, warum. Aber nichts scheint sie brennender zu interessieren.«
»Golf ist zweifellos ein Thema, über das man gar nicht genug reden kann«, meinte Zamorra.
»Da haben Sie zweifellos recht. Ich sehe, wir verstehen uns.«
»Doch ich bin überzeugt, daß die Geschichte Ihrer Familie nicht weniger interessanten Gesprächsstoff liefern kann. Sie erwähnten Ebenezer Gloombstone. Stammen Sie in direkter Linie von ihm ab?«
»Gott bewahre. Ebenezer war nie verheiratet. Verwandtschaftlich war er mein Ururoheim. Er war zwar nie verheiratet, doch man sagte ihm nach, daß er eine Menge Kinder hinterließ. Sein Erbe fiel auf die Nachfahren mütterlicherseits, und so kam ich zu dieser Burg. Ich bin der Letzte der Gloombstones. Vorerst wenigstens.« Er lächelte einfältig.
»Und womit hat Ihr Oheim sich beschäftigt?« glitt Professor Zamorra zum Thema zurück.
»Nun – mit Magie, was immer man darunter verstehen mag. Er war einer von diesen verrückten Alchimisten. Man erzählt sich die tollsten Legenden über ihn.«
»Könnten Sie welche zum besten geben? Sie sind ein vorzüglicher Plauderer. Es ist ein Genuß, Ihnen zuzuhören.«
Meredith Gloombstone schluckte das Lob wie Balsam. Er lebte richtig auf. Nur zu gern spann er den Faden weiter. Er genoß es, einmal selbst im Mittelpunkt zu stehen.
»Ebenezer war ein Schlimmer«, sagte er und wackelte mit seinem fleischigen Zeigefinger. »Er hatte es
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