0011 - Der Irre mit der Teufelsgeige
Faust explodierte an seinem Kinn. Scott wurde der Kopf in den Nacken gerissen. Der Mann kippte um wie ein Brett und blieb liegen.
Schwer atmend stand ich in dem schmalen Graben. Ich sah aus, als hätte ich im Schlamm gewühlt. Aber auf Äußerlichkeiten konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen, andere Dinge hatten jetzt Vorrang.
Ich kletterte aus dem Graben. Mit einem Taschentuch reinigte ich so gut es möglich war mein Gesicht. Scott ließ ich liegen. Er hatte zweimal verloren, ein drittes Mal würde er es sicherlich nicht versuchen.
Selten hatte ich mich so getäuscht wie an diesem Tage. Ich setzte mich hinter das Lenkrad und gönnte mir eine Zigarette. Dabei überlegte ich die nächsten Schritte. Ich wollte so rasch wie möglich das Landhaus des Teufelsgeigers finden. Da ich von Scott keine Informationen erhalten hatte, wollte ich sie mir von einem der Einwohner verschaffen.
Langsam ließ ich den Wagen anrollen. Es war inzwischen so dunkel, dass ich die Scheinwerfer anstellen musste. Die langen gelben Finger glitten über die holprige Fahrbahn, rissen Millionen von Staubpartikeln aus der Dunkelheit und ließen sie aufleuchten wie winzige Goldkörnchen.
Bürgersteige gab es nicht. Ebenso fehlte eine Kanalisation. Die Bewohner kippten ihr Schmutzwasser kurzerhand in die Gosse.
Die Dunkelheit nistete jetzt überall zwischen den Häusern. Das Blechschild eines Gasthauses blinkte im Scheinwerferlicht auf. Ich stoppte, hatte hinter den matt erleuchteten Scheiben die Umrisse von Menschen gesehen.
Das Gasthaus lag in einem baufälligen Gebäude. Die untere Hälfte war aus Stein erbaut worden, die obere aus Holz. Ich schnupperte. Die Luft roch irgendwie anders. Klarer, frischer, mit Fichtenduft durchzogen.
Hoch am Himmel sah ich die Positionsleuchten eines Flugzeuges. Dieses Wunderding der Technik kam mir in meiner augenblicklichen Situation ziemlich deplaciert vor. Denn ich hatte das Gefühl, mich im Mittelalter zu befinden.
Die zerkratzte Holztür des Gasthauses bewegte sich im Wind. Als ich die Stube betrat, verstummten sämtliche Gespräche. Die Gäste duckten sich zusammen wie unter Peitschenhieben. Mit offener Feindseligkeit starrte man mich an. Doch niemand wagte, die Hand gegen mich zu erheben.
Ich blieb neben dem einfachen Holztresen stehen. Über der Theke schaukelten Petroleumlampen. Tabaksqualm umwölkte die gelblich schimmernden Glasbehälter.
Trinken wollte ich nichts. Ich traute den Leuten nicht. Es war leicht für sie, mir irgend etwas ins Glas zu mixen, das mich umhaute.
Der Wirt stand neben seiner Spültonne. Er hatte die Fingerspitzen noch im Wasser hängen.
Irgendwo tickte eine Uhr. Ich blickte mich sorgfältig um und sah neben der Standuhr einen noch jüngeren Mann stehen. Er trug eine Schlägermütze auf dem Kopf, hatte ein altes Hemd und verbeulte Hosen an und eine dunkelgrüne Strickjacke über seine mageren Schultern geworfen.
»He, du«, sprach ich ihn an. »Kannst du mir eine Auskunft geben?«
Er starrte mir ins Gesicht, schwieg, drehte sich dann um und ging. Ich unternahm erst gar nicht den Versuch, ihn aufzuhalten.
Sein Verschwinden war das Startsignal für den allgemeinen Aufbruch. Schweigend standen die Männer auf. Stuhlbeine scharrten über den rohen Boden, Tische wurden gerückt. Zwei Minuten später war die Gaststube leer. Selbst der Wirt war verschwunden. Laut und deutlich schlug er die Tür hinter sich zu.
Ich fühlte mich wie ein Aussätziger. Diese Menschen mieden mich, hielten mich für ihren Feind.
Der Gastraum wirkte seltsam trostlos. In den Aschenbechern verqualmten die selbstgedrehten Zigaretten. Das dunkle Bier in den halbleeren Gläsern verschalte.
Mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zu gehen. Plötzlich sah ich an der Hintertür eine Bewegung. Automatisch fuhr meine Hand unter die Achselhöhle, doch dann ließ ich den Arm wieder sinken.
Ein heller Fleck leuchtete in der dämmrigen Ecke. Ein Gesicht. Das eines Mädchens. »Mister«, wisperte eine Stimme. »Ich muss mit Ihnen reden. Aber nicht hier, kommen Sie hinter das Haus.« Das Gesicht verschwand.
Eine Falle? Natürlich dachte ich daran. Aber was sollte ich machen? Ich befand mich in Zugzwang. Wenn ich etwas erreichen wollte, musste ich dem Mädchen folgen.
Ich schritt quer durch das Lokal. Hinter der Tür begann ein enger Flur. Er war stockdunkel. Sicherheitshalber zog ich meine Beretta. Dann spürte ich die Nähe des Mädchens. Finger tasteten nach meinem Arm. »Kommen Sie mit auf mein
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