0012 - Der Dämonenknecht
fahren?«
»Natürlich nicht« Zamorras Blick streifte den leeren Jackenärmel des Spaniers.
»Es tut mir leid, Professor, aber könnte José fahren?« Schon die Nennung dieses Namens berührte Zamorra unangenehm. Aber was blieb ihm anderes übrig?
»Ja, bitte, sagen Sie ihm, daß er fahren und den Arzt holen soll, Señor Perez.«
Juan Perez rannte aus dem Zimmer, Seine Schritte verklangen.
Zamorra und Nicole warteten schweigend.
Vorher war die Zeit wie rasend vergangen, und nun schienen die Minuten zu schleichen. Nicoles rosig lackierte Fingernägel trommelten in leisem und unregelmäßigem Takt auf die glänzende Ahornplatte der Kommode.
Zamorra war überzeugt, schon mindestens eine halbe Stunde zu warten, obwohl in Wirklichkeit gerade zehn Minuten vergangen waren, als Perez wieder in der Tür auftauchte.
»Ich kann José nicht finden.« Die Stimme des Historikers klang verzweifelt und ratlos.
Zamorra kniff die Augen zusammen. Seltsam, plötzlich war dieser José verschwunden.
Sein Blick wanderte über die beiden regungslos im Bett liegenden Gestalten. Es nutzte nichts, ein Arzt mußte her. Vielleicht sollte er selbst fahren? In Zwanzig Minuten konnte er wieder zurück sein.
»Ich fahre«, entschied er dann. »Es ist vielleicht besser, wenn Sie mitkommen, Nicole«, wandte er sich an seine Sekretärin.
Einen Augenblick schaute ihn Nicole mit gerunzelter Stirn an, dann schüttelte sie den Kopf.
»Fahren Sie nur, Chef. Ich kümmere mich inzwischen um die beiden«, sprudelte sie hervor.
Zamorra wandte sich an Perez. »Wo ist der Wagen?« fragte er kurz.
»Ich denke, er wird noch vor dem Haus stehen. Kommen Sie, ich begleite Sie bis vor die Tür.«
Wie ein Hirte bei seiner Herde, hielt Nicole neben dem Bett Wache, während Zamorra und Señor Perez den Raum verließen.
»Sehen Sie.« Der Historiker wies auf den wirklich noch vor der breiten Treppe stehenden Peugeot.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, und der bei ihrer Ankunft noch heitere Himmel hatte sich wieder mit dunklen Wolken überzogen.
Zamorra öffnete die Tür des Wagens. Der Schlüssel steckte im Zündschloß.
»Passen Sie auf Mademoiselle Duval auf«, rief er dem Spanier zu.
Er schwang sich in den Wagen, knallte die Tür zu und startete.
Der Peugeot rollte an. Kies knirschte unter den anfangs durchdrehenden Rädern und spritzte zur Seite. In einer eleganten Kurve wendete Zamorra, fuhr den Anfahrtsweg hinab und bog auf die Straße in Richtung Puento San Michel ein. Die düsteren Umrisse des Schlosses verschwanden hinter den dicken schwarzen Stämmen der Bäume.
Zamorras Hände umklammerten das Lenkrad. Sein Gesicht war ernst und verschlossen, während er den Wagen sicher über die schmale, kurvenreiche Straße steuerte.
Auf einmal hatte er das Gefühl, nicht allein im Auto zu sein. Er glaubte, daß ihn unsichtbare Augen beobachteten. Unruhe überkam ihn.
Nur mühsam gelang es Zamorra, seiner plötzlich aufsteigenden Erregung Herr zu werden. Seine zusammengekniffenen Augen forschten im Innenspiegel. Außer den dunklen Polstern konnte er jedoch nichts erkennen.
»Ist da jemand?« stieß er hervor. Obwohl er leise gesprochen hatte, schien seine Stimme zu dröhnen.
Zamorra verlangsamte das Tempo, spannte seine Muskeln und bereitete sich darauf vor, einem eventuellen Angriff wirkungsvoll entgegenzutreten.
Er schien endlose Zeit zu brauchen, um die kurze Strecke zurückzulegen.
Zamorra konnte sich während der ganzen Zeit nicht von dem bedrückenden Gefühl frei machen, einen unsichtbaren Beifahrer zu haben. Als endlich die ersten schon beleuchteten Häuser des Dorfes auftauchten, war der Hexenspuk genauso plötzlich, wie er gekommen war, vorbei.
Zamorra atmete auf. Er sah eine Gestalt aus einem der Häuser treten, bremste und hielt.
»Verzeihung«, fragte er, nachdem er die Seitenscheibe heruntergekurbelt hatte. »Wo wohnt hier ein Arzt?«
Ein schlaksiger junger Mann stand neben dem Wagen. Er beschattete die Augen mit seiner Hand und sah Zamorra mißtrauisch an.
Endlich, nachdem die kritische Musterung zu seiner Zufriedenheit ausgefallen zu sein schien, bequemte er sich, eine Auskunft zu geben.
***
Die Dämmerung hatte sich verdichtet, es war fast dunkel geworden.
Unter dem farblosen Himmel zeichneten sich schwarz und verschwommen die Umrisse des Schlosses ab. Nur aus zwei Fenstern im Erdgeschoß des Hauptgebäudes drang schwacher gelber Lichtschein.
Fast vergeblich war der kümmerliche Versuch der kleinen Nachttischlampe,
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